Bei einem Stadtbummel mit den Großeltern weigerte sich unsere Tochter (2,5 Jahre) vehement eine Jacke anzuziehen. Draußen hatte es vielleicht zehn Grad und wir Erwachsenen fanden es ziemlich kühl. Da wir sie nicht zwingen wollten und der Ansicht sind, dass sie eigene Erfahrungen machen sollte, lief sie also nur mit einem Pullover bekleidet durch die Stadt. Für den Fall, dass sie es sich anders überlegt, hatten wir eine Jacke eingepackt. Die Großeltern versuchten, unsere Tochter zu überreden, endlich die Jacke anzuziehen. Sie beharrte jedoch darauf, dass ihr „überhaupt gar nicht kalt“ sei. Schließlich meinte die Oma, dass wir nun endlich mal ein „Machtwort“ sprechen müssten. Sonst werde sich unsere Tochter bestimmt eine Erkältung holen und außerdem sei es unsere Verantwortung, für angemessene Kleidung zu sorgen. Lernt unsere Tochter nicht am besten durch eigene Erfahrungen oder haben meine Eltern recht, dass wir ihr Grenzen setzen müssen?
1Generationenkonflikt
Ich denke, Sie haben verantwortungsbewusst gehandelt ohne ihr Kind in seiner Selbstbestimmung zu beschneiden. Die Jacke ist dabei und kann jederzeit angezogen werden – "sag mir, wenn es dir zu kalt ist". Sind mehrere Generationen beteiligt, wird Alltag und Erziehung manchmal noch schwieriger. Wenn Sie sehen, dass ihr Kind friert, werden Sie auf die Jacke bestehen. Das Temperaturempfinden der körperlich aktiveren Kinder unterscheidet sich meistens von dem der älteren Generation! Wenn die Kleinen nach körperlicher Aktivität zur Ruhe kommen sollte nochmal überprüft werden, ob die wärmere Kleidung jetzt nicht doch nötig ist.
2Kind kann Folgen noch nicht abschätzen
Bei solchen Diskussionen gilt es immer zu überlegen, ob das Kind die Folgen seiner Entscheidung absehen und tragen kann. Dies ist meiner Meinung nach hier nicht der Fall. Meist kann ein 2,5-jähriges Kind nicht abschätzen, ob es warm genug ist bzw. ob man eine Jacke braucht. Eine mögliche Folge daraus könnte natürlich eine Erkältung sein. Wenn das Kind aber ein paar Tage später krank wird, kann es selber natürlich keinen Zusammenhang mehr herstellen zu dem schönen Ausflug in die Stadt mit Oma und Opa. Deshalb würde ich dem Kind kurz erklären, warum ich es für wichtig halte, dass es eine Jacke trägt und diese dann auch zügig und ohne zu zögern anziehen. Kinder ahnen nämlich recht schnell, wo es noch "Verhandlungsspielraum" gibt, und wo sie sich die Zähne ausbeißen. Es wäre doch schade, wenn der Stadtbummel mit Ewigkeitsdiskussionen überschattet wird.
3Mehr Vertrauen in die Mutter
Eine 2,5 Jährige will beim Stadtbummel – kühle Temperaturen – die Jacke nicht anziehen, die die Eltern dabei haben und die Kleine jederzeit anziehen kann. Ich frage mich: wo ist das Problem? Wenn das Mädchen friert, wird es selbstständig nach der Jacke verlangen. Machen wir Erwachsene nicht erst etwas „zum Thema“ durch unser auf das Kind einreden, provozieren wir damit Reaktionen? Wann muss man als Eltern Grenzen setzten? Meines Erachtens immer dann, wenn Kinder sich oder andere gefährden, weil sie Gefahren (noch) nicht erkennen. Ebenso müssen Kinder die Spielregeln für das Zusammenleben erlernen, akzeptieren, respektieren. Ich empfehle der Oma dringend mehr Gelassenheit und mehr Vertrauen in die Kompetenz ihrer Tochter als Mutter. Und das Sprechen von Machtworten auf die Zeit der Pubertät der Enkelin zu verschieben ...
Titelbild: gemalt von Klara (8)