Eltern fragen - Experten antworten, Leben

Wieviel Husten und Schnupfen ist normal?

von Regensburger Eltern

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Bei unseren Kindern reiht sich eine Erkältung an die nächste. Nach zwei Jahren Corona muss sich das Immunsystem erst wieder an die Belastungen gewöhnen, heißt es. Ist das so? Das sagen unsere Expert:innen.

Mein Fünfjähriger ist in den vergangenen Monaten immer wieder krank. Es sind meist leichte Erkältungen, ein paar Tage Husten und Schnupfen, überwiegend ohne Fieber. Oft höre ich, das sei nach zwei Jahren Corona normal, weil sich das Immunsystem erst wieder an die Belastungen gewöhnen muss. Ist das so? Und wenn ja, wie viele Erkältungen im Jahr sind normal? Und was können wir tun um das Immunsystem der Kinder (und auch unser eigenes) zu stärken?

1Defizite beim immunologisches Gedächtnis

Kinder kommen mit einem fast voll funktionsfähigen Immunsystem zur Welt, allerdings ist das immunologische Gedächtnis noch ein unbeschriebenes Blatt. Das Kind muss eine Vielzahl an Erregern oder Erregermerkmalen kennenlernen. Dabei reagiert sein Immunsystem sehr schnell und zum Teil baut sich eine gewisse Kreuzresistenz der Immunität auf, so dass Infektionen meist nur leicht verlaufen. Trotzdem waren auch „vor Corona“ 8-12 leicht verlaufende Infektionen pro Jahr im Kindergartenalter normal. Jeweils ein bis zwei Wochen Husten und Schnupfen und das vor allem im Winterhalbjahr gibt das Gefühl: „ständig krank“. Nach den Kontaktbeschränkungen in der Pandemie hat der Aufbau des immunologischen Gedächtnisses nun ein Defizit von ca. 1,5 Jahren, so dass aktuell auch ältere Kinder zu dem Infektionsgeschehen und gegenseitigen Ansteckungsrisiko beitragen. Was hilft: ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung im Freien und empfohlene Impfungen zeitgerecht durchführen zu lassen. Bei einer vollwertigen Ernährung ist die zusätzliche Gabe von Vitaminen, Spurenelementen, anderer Nahrungsergänzungsmittel oder auch als „immunstärkend“ beworbene Arzneimittel gemäß aktueller Studienlage nicht effektiv.

Dr. Florian Segerer

2Krankes Kind und Arbeit schwer vereinbar

Ich kann die Nachfrage sehr gut verstehen – auch wir sind mit unseren Kindern im Hinblick auf die durchlebten Krankheiten durch einen intensiven Winter gegangen. „Seit Eingewöhnung in der Kita war mein Kind jetzt genauso oft dort wie krank daheim“, diesen Satz habe ich auch von Freunden sehr häufig gehört. Mir hat vor Kurzem die neueste Errungenschaft meines Fünfjährigen, Mariona Tolosa Sisterés Kinderbuch „Das geheime Leben der Popel“ (Ü: Ebi Naumann), die Augen geöffnet: Ein Kalender darin zeigt, wie oft ein Kind im Durchschnitt eine laufende Nase hat. Ergebnis: 10 bis 12 Infektionen im Jahr sind Standard, das bedeutet 200 Tage im Jahr (!) Rotznase beim Kind (vom Erwachsenen einmal ganz abgesehen…). Folgen der Kontaktbeschränkungen zu Pandemiezeiten sind da noch gar nicht eingerechnet.

Ich habe eine Vermutung, warum mich dieser Wert überrascht: Was bei mir Stress erzeugt, wenn meine Kinder krank sind, ist gar nicht unbedingt deren Umsorgung, sondern die Schwierigkeit, den zeitlichen Ausfall der Erwerbsarbeit zu organisieren und allen Notwendigkeiten und Ansprüchen gerecht zu werden. Unser Familien- und Berufsleben funktioniert im Alltag einwandfrei, hat aber wenig Raum für Ausfälle irgendeiner Art oder Person – es ist knapp auf Kante genäht. In ein erfolgreiches Arbeitsleben ist Familienzeit in der Regel immer noch nur als Privatvergnügen für Abende und Wochenenden eingeplant, nicht als ernsthafter Faktor vorgesehen, der als „Zeitfresser“ auch die Bereiche der Berufstätigkeit zeitweise beschneiden darf. Mit Fug und Recht darf man sich fragen: Wie soll ein Kind mit seinen bis zu 12 Infektionen im Jahr eigentlich mit dieser Vorstellung des Arbeitens vereinbar sein?

Was kann man also tun, um die eigene Gesundheit und die der Kinder zu schützen? Gesund leben, regelmäßig an die frische Luft gehen – und sich vor allem für realistische Familienbilder und die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Familien, vor allem für Familienzeit, einsetzen, damit kranke Kinder – egal wie dicht auch immer gerade der Krankheitsbefall ist – für Gesellschaft und Familien vor allem eines sind: Eine Selbstverständlichkeit und keine Katastrophe.

Verena Gold

Titelbild gemalt von Klara (11)

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