Leben, Mütter

Wie geht es Familien in der Corona-Zeit?

account_circle
Franziska Fröhlich

Familienleben in Zeiten von Corona: Eine Regensburger Mama berichtet, wie die Pandemie ihren Alltag und den ihres Sohnes Arno (14 Monate) auf den Kopf gestellt hat.

Woche 7. Puh. Wie organisieren wir uns heute? Wer übernimmt den Kleinen wann damit wir beide arbeiten können? Mit was machen wir Arno heute eine Freude? Wie fördern wir ihn und seine Entwicklung? Wie lasten wir ihn aus? Was gibt es zum Mittag? Wer geht einkaufen? Wir sind keine Supereltern. Unsere Wohnung glänzt nicht, weil wir jetzt so viel Zeit haben für Frühjahrsputz. Wir sind nicht fitter und schlanker als vorher, weil jetzt so viel Zeit ist für Sport. Wir haben keinen Kräutergarten auf dem Balkon, weil jetzt so viel Zeit ist zum Pflanzen und „Gärtnern“. Manchmal gibt es drei Tage in Folge Nudeln. Wir sind Eltern eines 14 Monate alten quick fidelen Jungen und beide berufstätig. Mein Mann in seinem Job vor Ort und ich im Home Office. Bevor die Quarantäne ausgesprochen wurde ging Arno jeden Tag in die Krippe und am Nachmittag besuchten wir verschiedene Babytreffs und Familienwerkstätten. Es gab keinen Tag, an dem er nicht Kontakt zu anderen Kindern hatte seit er vier Monate alt ist.

Die ersten fünf Wochen „Zuhause“ haben wir ganz gut gemeistert. Wir haben kreativ aus alten Kartons Flugzeuge und Autos gebaut, Zeitkapseln, in die wir schrieben was wir so richtig doll vermissen und auf was wir uns am meisten freuen. Wir waren jeden Tag in der Natur spazieren. Haben Pusteblumen entdeckt und Enten beobachtet. Wir haben neue Rezepte ausprobiert, Wachsmalstifte kennengelernt und Musikinstrumente selbst gebastelt. Wir haben die Videos und Beiträge aus der Krabbelstube angeschaut und nachgemacht. Es war ein riesen Gaudi und Arno hat es wahnsinnig genossen, so viel Zeit mit seinen Eltern zu verbringen und so viel Aufmerksamkeit zu erhalten.

"Er vermisst andere Kinder. Er vermisst Menschen. Und sind wir mal ehrlich – wir ja auch."

Doch jetzt, in Woche 7 laufen unsere Akkus auf Reserve. Und auch unser Kleiner merkt, hier stimmt was nicht. Vor jedem Spielplatz müssen wir anhalten und er zeigt mit seinem kleinen Händchen in Richtung des Sandkastens. Bei jedem Kind, das vorbeiläuft oder irgendwo spielt, bleibt Arno einfach stehen und beobachtet sehnsüchtig. Dann schaut er uns mit seinen großen blauen Augen an und dann wieder zu dem Kind. Es bricht mir das Herz. Er vermisst andere Kinder. Er vermisst Menschen. Und sind wir mal ehrlich – wir ja auch.
COVID-19 ist eine herausfordernde Erfahrung für uns. Gefühle sind und bleiben gemischt. Die Tage sind und bleiben gemischt. Das Leben als Familie ist und bleibt gemischt. Die von der Regierung getroffenen Entscheidungen der vergangenen Wochen zum Wohle aller konnten wir immer nachvollziehen und natürlich haben auch wir unterstützt.

Gemeinschaft ist uns wichtig. Dazu gehört auch, gemeinsam durch schwere Zeiten zu gehen. Ich bin Einkaufshilfe für ein älteres Ehepaar eine Straße weiter und wir sind froh, dass wir helfen können. Im Kreise unserer Lieben gibt es Menschen die der Risikogruppe angehören und diese wollen und müssen wir schützen. Dennoch: Der Lagerkoller ist eingekehrt und ich hinterfrage immer öfter wie gut die aktuelle Situation für Arno ist. Er ist ein kleiner Junge der gleichaltrige Kinder braucht, um ausgelastet zu sein, um zu lernen, um Empa- thie zu entwickeln, um Gruppendynamiken kennenzulernen, sich mal durchzusetzen und auch mal einzustecken, zu teilen und seine ersten Freundschaften zu schließen. Von Beginn an hat sich Arno auf die Krippe gefreut.

Er hat nicht ein Mal geweint als wir ihn morgens hin brachten. Arno weinte, sobald wir ihn abholten und er seine neuen Freunde verlassen musste. Es fühlt sich für mich nicht richtig an, dass er seit so langer Zeit ohne Kontakt zu anderen kleinen Menschen ist. Es fühlt sich nicht richtig an, dass er seit nun sieben Wochen ausschließlich Zeit mit zwei Erwachsenen verbringt. Die beide irgendwie versuchen die Bälle in der Luft zu halten.

"Wir starten jeden Tag neu. Es gibt keine Routine."

Hut ab vor all jenen die erzählen wie gut es ihnen geht, da sie endlich mal entschleunigen können, Zeit für das Wesentliche haben, das Buch lesen, welches schon so lange im Schrank liegt, die Wohnung renovieren, endlich wieder jeden Tag joggen können und Zuhause den eigenen Botanischen Garten gestalten. Wir schaffen das nicht. Wir starten jeden Tag neu. Es gibt keine Routine. Denn vielleicht war die Nacht sehr hart, der Mittagsschlaf wurde vorverlegt wodurch die Telefonkonferenz mit den Chefs ein Mix aus kurzen, knappen Sätzen und schnellem drücken der Mute Taste wird. Die Sonne strahlt und der Knirps steht mit seinen Schuhen in der Hand vor der Tür, während ich gerade versuche, Mittagessen vorzubereiten. Die Wäscheberge lächeln mich schadenfreudig an, während unsere zwei Katzen gerade den neuen Spielteppich als Kratzbaum verwenden. Beim Bügeln vergesse ich den Topf, mit dem ich gerade Arnos Flaschen auskoche und setze dadurch fast die Küche in Brand. Wie gesagt: Wir sind keine Supereltern.

Dennoch versuchen wir den Blick auf das Positive zu richten. Denn auch in diesen Krisenzeiten gibt es gute Seiten. Gemeinsame Mahlzeiten am Familientisch, Solidarität und Empathie füreinander, ein Wachstum der Wertschätzung dessen, was der Partner, Eltern und andere Familien im Alltag leisten. Dabei zu sein, wenn der Kleine die ersten Schritte macht. Das passiert nämlich gerade und wir haben in unseren Köpfen ein Bild gemalt. Wie unser Arno nun bald das erste Mal mit seinen kleinen Freunden lachend über eine Wiese jagt. Wie singt man so schön: „Ich kann es kaum erwarten!“