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Bist Du ein Gewohnheitstier – oder gerade nicht?

Kikis Kolumne
Ulrike Hecht

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Der eine liebt die Veränderung und das Risiko, der andere das tröstlich-wiederkehrende Gleiche. Doch wie kann jeder am Ende auf seine Kosten kommen? Über die Kunst des Kompromisses – und des perfekten Familienurlaubs.

Wenn ich mit meinem Mann unseren Sommerurlaub plane, ist es jedes Jahr dasselbe. Ich liebe es, immer an den gleichen Ort zu fahren. Wo ich schon weiß, wie die Anreise läuft, die Kinder den kürzesten Weg zur Eisdiele kennen und wir unseren festen Platz im Strandbad haben. Man kommt an und es ist ein bisschen so, als ob man nie weggewesen wäre. Urlaub eben. Mein Mann ist da ganz anders. Er liebt das Neue, das Unerwartete. Möglichst wenig Planung und möglichst viel Abenteuer. Und wenn wir es mal nicht so gut treffen, ist doch nicht so schlimm! Hauptsache wir erleben etwas, das uns enger zusammenschweißt, ein Abenteuer, das lange in Erinnerung bleibt! Und in diesem Punkt muss ich ihm sogar Recht geben: wer erinnert sich schon an einen Pauschalurlaub mit Vollpension? Und dennoch ...

In den letzten Jahren konnte ich mich mit meinem Standpunkt meistens durchsetzen. Das schlagende Argument waren die Kinder: Kleinkinder brauchen Rituale und eine reizarme Umgebung, um sich wohlzufühlen. Hinter mir stand die gesammelte Erziehungsliteratur. Und so buchte ich eine für Kinderreisen zertifizierte Finca in Gomera. Jedes Jahr dieselbe. Urlaub eben. Und mein Mann? Der stellte seine Bedürfnisse zurück und machte das Ganze mit. Es gibt ja auch wirklich etwas Schlimmeres, als Urlaub in Gomera zu machen. Aber jetzt sind die Kinder endgültig aus den Windeln heraus und haben auch Lust auf Abenteuer. Und ich möchte ja auch, dass aus ihnen Jugendliche werden, die offen auf fremde Kulturen zugehen und auch mit unbekannten Herausforderungen gut zurechtkommen. Und dennoch ...

"Eine Kraft, die uns zur Veränderung und zum Risiko drängt und eine, die das tröstlich-wiederkehrende Gleiche sucht"

Langsam beginne ich mich zu fragen, woher mein starker Wunsch nach Wiederholung kommt. Bin ich schon auf dem Weg zu einer Unbekannte-Länder-Phobie? Entwickle ich mich unaufhaltsam zu einem ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitstyp, der irgendwann gar nicht mehr das Haus verlassen kann? Bei den Diskussionen mit meinem Mann fühle ich mich manchmal schon so. Doch Halt! Es gibt ja auch die andere Seite in mir. Als Studentin habe ich mich ja auch viel herumgetrieben und bin ein halbes Jahr mit dem Rucksack durch Indien gereist, ohne zu wissen, wohin der nächste Weg führt. Und habe als Motto für die Reise Hermann Hesses Stufengedicht gewählt: ... heiter sollst du Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen. Und dass ich mit Kleinkindern nicht durch Indien reisen will ist doch ok, oder?

Es scheint also so zu sein, dass zwei Kräfte in uns walten, die uns ausmachen und irgendwie zusammengehören: eine Kraft, die uns zur Veränderung und zum Risiko drängt und eine, die das tröstlich-wiederkehrende Gleiche sucht. Wie Ebbe und Flut. Oder wie zwei Nährstoffe, die man braucht, um gut versorgt zu sein. Und je nach Typ und Lebensphase gibt es eine optimale Dosierung und man braucht mehr von dem einen oder dem anderen. Davon schrieb schon Goethe: Der Mensch soll immer streben zum Besseren; und wie wir sehen, er strebt auch immer dem Höheren nach, zum wenigsten sucht er das Neue. Aber geht nicht zu weit! Denn neben diesen Gefühlen gab die Natur uns die Lust, zu verharren im Alten und sich dessen zu freuen, was jeder lange gewohnt ist.

"Wanderzelten in Sibirien? Soweit reicht meine Liebe nicht"

Das hört sich doch gut an. Als ob beides möglich wäre. Weder ich noch mein Mann sind krank oder gestört, sondern einfach anders. Und wie so oft in der Beziehung geht es darum, einen guten Kompromiss zu finden, damit wir beim Urlaub beide auf unsere Kosten kommen. Einen Kräftemix sozusagen. Und jeder muss schauen, wie weit die Kompromissbereitschaft geht. Nach Gomera werden wir nicht mehr zusammen fahren, das ist klar. Wanderzelten in Sibirien? Soweit reicht meine Liebe nicht. Einen Anfang haben wir schon gemacht. In den Pfingstferien waren wir zum ersten Mal auf einer Nordseeinsel. Mein Mann ist schon vorgefahren und hat alles entdeckt und erkundet, wir kamen dann hinterher und konnten uns wie ins gemachte Nest setzen. Und mir hat es richtig gut gefallen: mit dem Nachtzug an die Küste, die wilde Natur und all die neuen Eindrücke!

Und Gomera? Dorthin fahre ich mit den Kindern immer noch – nur mit der Oma!

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