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War Dir Dein Kind auch schon mal fremd?

Kikis Kolumne
Ulrike Hecht

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Sie sind das eigen Fleisch und Blut und trotzdem verstehen wir sie oft nicht. Manchmal wünschen wir uns vielleicht sogar, dass unsere Kinder „anders“ sind. Aber dürfen wir das überhaupt?

Hast Du schon mal Dein Kind angeschaut und einfach nicht verstanden, was in seinem Kopf vorgeht? Mir zumindest geht es immer wieder so. Beispielsweise wenn mein Kleiner permanent über irgendetwas empört ist. Oder mein Großer keinerlei Sinn darin sieht, für die Schule zu lernen, selbst wenn am nächsten Tag ein Deutsch-Test bevorsteht. In solchen Momenten schaue ich meine Kinder an und sie sind mir fremd. Richtig fremd. Und ich hätte gerne, dass sie anders sind. STOPP! Darf man so überhaupt denken? Darf man sich seine Kinder anders wünschen? Ist bedingungslose Elternliebe nicht die notwendige Grundlage für eine gesunde kindliche Entwicklung? Heißt das, dass unsere Kinder alles dürfen, ganz nach dem Motto "ich bin halt so"? Und müssen wir unser Unverständnis, unsere Missbilligung oder Ohnmacht einfach nur runterschlucken? Das kann doch auch nicht richtig sein.

Kinder haben eine große Fähigkeit, sich ihrer Umgebung anzupassen und das ist eigentlich auch ganz normal. Eskimokinder klagen nicht über Kälte, Kinder in Afrika nicht über Hitze. Genauso sind wir Eltern eine Umgebung für unsere Kinder, in die sie sich einfügen müssen. "Ganz der Papa!" – das bezieht sich meistens auf mehr als nur das rein Äußere. Mimik und Gestik, Interessen, die Art zu argumentieren ... Spätestens in der Krise merkt man ihre Anpassungsfähigkeit. Wenn Mama krank ist oder die Eltern sich streiten. Dann können aus wilden Rabauken plötzlich brave Heinzelmännchen werden. Kinder passen sich an, an Umgebungen und Situationen. Müssen sie auch, denn sie sind darauf angewiesen, dass wir sie versorgen. Sie haben nicht die Möglichkeit, einfach umzuziehen oder die Eltern auszutauschen, wenn etwas nicht passt. Kinder haben ein großes Interesse, dass Harmonie in der Familie herrscht und sind bereit sich dafür anzupassen.

"Das Wichtigste ist zu akzeptieren, dass unsere Kinder anders sind"

Das ist aber nur die halbe Wahrheit und das sieht man bei Geschwistern. Gleicher Genpool, gleiche Erziehung, gleiche Umgebung und dennoch sind sie ganz unterschiedlich. Es ist nicht automatisch garantiert, dass wir unsere Kinder gleich gut verstehen. Neben aller Anpassungsfähigkeit gibt es nämlich noch das Wesen eines Kindes. Und das kann sich wesentlich von dem der Eltern unterscheiden: ein Naturkind landet bei vergeistigten Intellektuellen, ein introvertierter Sohn soll das Familienimperium übernehmen ... Dann wird es schwierig mit der Anpassung und es kann passieren, dass Kinder und Eltern sich fremd bleiben und lernen müssen, damit umzugehen.

Wie aber kann das gelingen? Ohne dass man sein Kind verbiegt, eigene Bedürfnisse zu kurz kommen und man sich immer wieder am selben Punkt in die Haare kriegt?  Das Wichtigste ist zu akzeptieren, dass unsere Kinder anders sind. Dass sie ganz eigene Bedürfnisse, Sehnsüchte, Ängste und Lebensstrategien haben. Wir müssen akzeptieren, dass wir ihre Sicht- und Handlungsweisen manchmal nicht verstehen und die Frage, "von wem sie das haben", unbeantwortet bleibt. Unsere Kinder sollen so sein dürfen, wie sie wesentlich sind – in jeder kleinen Situation des Alltags. Wenn wir uns wünschen, dass sie "anders sind", ist das Unglück schon vorprogrammiert.

"Reiner Pragmatismus oder innere Einsicht – das Ergebnis ist dasselbe"

Was wir aber durchaus fordern können, ist dass sie sich "anders verhalten". Kinder müssen ihr Verhalten an Situationen oder Umgebungen anpassen können. Das klappt am besten, wenn man seine Vorstellungen erklärt und gemeinsam Ziele festlegt. Und wenn die dann noch realistisch, messbar und terminiert sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Vorhaben gelingt. Warum die Kinder ihr Verhalten ändern, ist dabei nicht so wichtig. Reiner Pragmatismus oder innere Einsicht – das Ergebnis ist dasselbe. Als Eltern tut man gut daran, damit zufrieden zu sein, mehr geht eh nicht.

Beobachte bei der nächsten Auseinandersetzung mit Deinem Kind, welche unterschwellige Botschaft mitschwingt. SEI ANDERS oder VERHALTE DICH ANDERS – darin liegt der ganze Unterschied. Bist Du wirklich zufrieden, wenn ihr Sohn eine halbe Stunde Rechtschreibung übt, oder sollte er das ganze aus eigenem Antrieb und gerne tun? Willst Du einfach, dass er mehr übt, oder sollte er den Ehrgeiz haben, Klassenbester zu sein? Ich für meinen Teil arbeite noch an mir. Und der fehlende Ehrgeiz meines Sohnes? Ehrlich gesagt, bin ich die einzige, die damit ein Problem hat. Üben muss er trotzdem – vor jedem Test eine halbe Stunde.

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