Kleinkind

Der Sandmann wirkt nicht immer

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Verena Riehl

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Dr. Sebastian Kerzel, Leiter des Universitären Kinder-Schlaflabors in Regensburg, ist Experte in Sachen (Klein)Kinderschlaf. Er verrät das Geheimnis ruhigerer Nächte für Eltern (und Kinder).

Dr. Kerzel und sein Team aus Kinderärzten, Kinderneurologen und einer Kinderpsychologin sind Experten rund um alle „Schlafprobleme“ bei Kindern von 0 bis 18 Jahren.

Wie viel Schlaf brauchen Kleinkinder eigentlich?

DR. SEBASTIAN KERZEL: Da gibt es von Kind zu Kind eine enorme Bandbreite – wie bei Erwachsenen auch. Es gibt einen Monat alte Kinder, die 18 bis 20 Stunden schlafen, während manche gleichaltrige Säuglinge nur 12 bis 14 Stunden Schlaf benötigen. Prinzipiell haben Kinder am Anfang des Lebens einen sehr hohen Schlafbedarf – im Mittel zwischen 16 und 18 Stunden – und dieser reduziert sich dann in den ersten Lebensjahren langsam,

Wie finde ich heraus, wie viel Schlaf mein Kind benötigt?

Erfahrungsgemäß überschätzen viele Eltern den Schlafbedarf ihrer Kinder. Wenn nun aber die Bettzeit deutlich länger ist als der tatsächliche Schlafbedarf, kann das zu „Ein- und Durchschlafproblemen“ führen: Das abendliche Einschlafen dauert gefühlt ewig, das Kind hat nächtliche Wachphasen oder wacht morgens sehr früh auf. Die Eltern sollten dann über einen längeren Zeitraum „herausexperimentieren“, wie hoch der tatsächliche Schlafbedarf ihrer Kinder ist und dabei im Auge behalten, ob das Kind mit der Menge an Schlaf ausreichend zufrieden ist. Ein 24-Stunden-Schlafprotokoll kann hier hilfreich sein.

Was heißt eigentlich "Durchschlafen"? Versteht der Fachmann etwas anderes darunter als wir Eltern?

Eltern verstehen darunter ja gerne, dass man das Kind abends hinlegt und es dann idealerweise am nächsten Morgen erst aufwacht, wenn das Frühstück fertig ist. Tatsächlich verstehen wir Fachleute aber etwas anderes darunter: Durchschlafen bedeutet, dass ein Kind in der Lage ist, selbstständig in den Schlaf zu finden. Sowohl Kinder, als auch Erwachsene durchlaufen in einer Nacht eine wiederkehrende Abfolge von Schlafstadien. Bei Erwachsenen dauert ein Schlafzyklus etwa 90 Minuten, bei Kindern circa 60 Minuten. Und am Ende jedes Schlafzykluses folgt eine Leichtschlafphase oder sogar eine kurze Wachphase, in der man sich zum Beispiel im Bett umdreht. Auch wir Erwachsenen schlafen also nicht die ganze Nacht „durch“. Wir erinnern uns nur am nächsten Morgen nicht mehr an das kurze Aufwachen. Ein Kind schläft also durch, wenn es allein und ohne elterliche Hilfe wieder ein- und weiterschlafen kann. Das kann ein drei Monate altes Baby in der Regel noch nicht. Aber das wäre das Ziel, wo wir bei Dreijährigen hinkommen wollen.

Im Kinder-Schlafzentrum gehen Expert:innen den Schlafproblemen auf den Grund.

Wie können Eltern diese Kompetenz fördern?

Eltern sollten eine Schlafumgebung schaffen, in der sich das Kind wohl fühlt ohne jedoch zahllose zusätzliche Faktoren von außen benötigt, um Einzuschlafen. So ist es ab dem sechsten Lebensmonat meist sinnvoll, dem Kind das Einschlafen im eigenen Bettchen beizubringen.

Was tun, wenn Kinder abends nicht ins Bett wollen?
Oft gibt es zwei Motive, wenn Kleinkinder nachts nicht einschlafen wollen oder können: Angst und Macht. Den Faktor Angst kann man eher beeinflussen. Wenn das Kind beispielsweise Angst im Dunkeln hat, hilft ein Nachtlicht. Es lohnt sich auch, wenn Eltern die Perspektive ihres Kindes einnehmen und sich im Dunkeln auf das Bett des Kindes legen. Es ist erstaunlich, welche „Monster“ man da plötzlich entdeckt. Und Kinder lieben Rituale. Dieser regelmäßige Rhythmus und die Wiederholungen geben ihnen Sicherheit. Rituale helfen den Kindern, sich zu entspannen und so bereit für den Schlaf zu sein. Das zweite Motiv ist Macht. Ein Kind in der Trotzphase wird auch beim Thema Schlafen seine Grenzen ausloten. Kinder machen das nicht bösartig, das ist Teil ihrer Entwicklung. Hier hilft am ehesten, wenn Eltern eine klare Haltung zeigen. Also zum Beispiel gibt es das übliche Bettgehritual mit einer Gute-Nacht-Geschichte und was sonst noch in der Familie üblich ist. Danach ist aber Schluss. Wichtig ist, das kindliche Verlangen nach elterlicher Geborgenheit zu respektieren und zu akzeptieren. Erfahrungsgemäß kommt man hierdurch schneller zum gewünschten Ergebnis, als wenn nachts regelmäßig ein Kampf ausgefochten wird. Da ist mein Tipp eine Besuchermatratze unterm Bett als Ruhehafen bei Mama und Papa bereitzuhalten. Denn bei Kindern bis ins Grundschulalter hinein ist es völlig normal, nachts die Nähe der Eltern zu suchen.

Hat ein Kind Schlafprobleme, die schlafmedizinisch abzuklären sind, kann eine Überweisung an das Kinder-Schlafzentrum erfolgen.

Darf man auch mal Ausnahmen machen, zum Beispiel im Urlaub länger aufbleiben erlauben?

Unbedingt! Durch die räumliche oder personelle Trennung verstehen Kinder gut, dass zum Beispiel bei den Großeltern oder im Urlaub die Uhren anders gehen. Im Gegenteil ist es sogar gut gelegentlich solche Ausnahmen zu machen, da Ausnahmen die Regel bestätigen.

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