In der siebten Folge spricht Anna-Maria Ruck mit Heike Wolter über den Verlust eines Kindes im Laufe der Schwangerschaft, bei der Geburt oder kurz danach und über das, was man nun tun kann – auch als Freund:innen, Bekannte oder Verwandte der Betroffenen.
„Lange saßen sie da und hatten es schwer“, heißt es in Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter“ über die Zeit nach einem Verlust. In der siebten Folge spricht Anna-Maria Ruck mit Heike Wolter über Erfahrungen, die nur schwer auszuhalten sind, aber auch über die Möglichkeiten des Zusammenkommens, die es jetzt gibt: Sie reden über den Verlust des Fötus, des Embryos oder des Babys im Laufe der Schwangerschaft, bei der Geburt oder kurz danach. Dabei geht es nicht nur um den Schock, den Schmerz und die Trauer, die ein solches Ereignis bedeuten können, sondern auch um das, was man nun füreinander tun kann – auch als Freund*innen, Bekannte oder Verwandte der Betroffenen.
Heike Wolter hat sechs Kinder. Ihr drittes Kind, ihre Tochter Lilly, stirbt vor circa 18 Jahren bei der Geburt. Wie man einen solchen Verlust als Mensch und als Familie aushalten kann und die Erinnerung an den fehlenden Menschen in den Alltag integriert, das schildert sie in einer solchen Klarheit und Zugewandtheit, dass man ihr noch viel länger zuhören will. Seit Lillys Tod hat Heike Wolter viele Bücher zum Thema geschrieben – Fachliteratur genauso wie Kinderbücher, die sich an Geschwisterkinder richten –, sie schult außerdem Fachpersonal und spricht in Kursen auch immer wieder direkt mit anderen Betroffenen. Im Gespräch springt sie zwischen diesen verschiedenen Ebenen, teilt persönliche Erfahrungen, aber gibt auch Einblick in die fachlichen Hintergründe und hat insgesamt einen sehr genauen Blick darauf, was sich bei der Begleitung Betroffener getan hat, was noch zu tun ist, was man in der konkreten Situation selbst für sich oder andere tun kann.
ZF07 Wenn das Kind nicht bleibt – Über Verlust und das, was stützen kann
Im Gespräch trifft sie auf eine Interviewerin, die sich selbst schon oft die Frage gestellt hat, wie man geliebte Menschen bei einem erlebten Verlust eigentlich gut unterstützen kann. Als Anna-Maria Ruck ihr erstes Kind bekommt, verliert eine ihrer besten Freundinnen ihr Baby, das erst ein paar Monate auf der Welt ist. Wie man sich als Freundin in Anbetracht der Ungeheuerlichkeit dieser Erfahrung eigentlich angemessen verhält, dazu scheint es keinen intuitiven Zugang zu geben, auf den man sich im Zweifelsfall dann schon verlassen kann.
Wie sich die beiden Gesprächspartnerinnen von diesen verschiedenen Seiten aufeinander zubewegen, macht die Besonderheit dieser Folge aus. Wie sie von den verschiedenen Standpunkten auf das Weinen, das Reden, das Erinnern blicken, ist erhellend und geht nahe, auch den beiden Gesprächspartnerinnen selbst. Trotzdem lauscht man hier keinem direkt schweren oder schwermütigen Gespräch, sondern einem Austausch voller Mut, Zuversicht und Kraft. Vielleicht versöhnt diese Folge nicht gleich mit der ganzen Welt, aber sie tut vielleicht doch etwas anderes: Sie tröstet.
Empfehlungen von Heike Wolter
Wer mehr über Heike Wolter und ihre Veröffentlichungen zum Thema erfahren will, findet auf ihrer Seite einen Überblick ihrer bisherigen Arbeiten: https://www.heike-wolter.de/autorin
Heike Wolter spricht in der Folge verschiedene Empfehlungen aus, die wir allesamt nachdrücklich unterstützen:
Die „Dein Sternenkind-Stiftung“ bietet allen Eltern, die entweder ein bereits verstorbenes Kind auf die Welt bringen müssen oder denen der Tod des Neugeborenen unausweichlich bevorsteht, professionelle Erinnerungsfotos als Geschenk an. Bundesweit arbeiten über 600 Fotografen freiwillig und unbezahlt für die Stiftung und kommen bei Bedarf auf Anfrage über die Seite sofort vorbei. Unbedingt unterstützenswert! https://dein-sternenkind.eu/index.php
Das wunderbare Kinderbuch „Die besten Beerdigungen der Welt“ von Ulf Nilsson, mit Illustrationen von Eva Eriksson, ist so viel mehr als eine Geschichte über Tod, Trauer und Trost. Die Erzählung über die drei Freund*innen, die aus Langweile und aus einem Zufall heraus beginnen, ein Unternehmen zur Bestattung toter Tiere aufzuziehen und nun von der Fliege bis zum überfahrenen Hasen alles beerdigen, was ihnen unterkommt, ist gleichzeitig auch noch eine Geschichte über Freundschaft, Spielen, Fantasie, Gefühle, das Leben und nicht zuletzt über die Macht der Sprache und des Zusammenkommens. Danach wird man möglicherweise alles von Ulf Nilsson lesen wollen.
Die Petition „Gestaffelter Mutterschutz nach Fehlgeburten“, die Natascha Sagorski ins Leben gerufen hat, nimmt eine äußerst wichtige Forderung auf und trägt sie in die Politik. Aktuell steht die Petition vor der Entscheidung. Informationen dazu finden sich hier: https://www.openpetition.de/petition/online/gestaffelter-mutterschutz-nach-fehlgeburten
Empfehlenswert finden wir auch Nataschas Sagorskis Buch „Jede 3. Frau. 25 Frauen erzählen von ihrer Schwangerschaft ohne Happy End – und wie sie danach trotzdem ihren Weg gefunden haben“. Hier sind persönliche Berichte über Fehlgeburtserfahrungen versammelt. Damit wird einem Thema Raum gegeben, über das ein Sprechen immer noch nicht selbstverständlich ist, obwohl so viele Menschen davon betroffen sind. Auch das Verständnis für die Trauer der Betroffenen – ihre Länge und Tiefe – fehlt häufig. Die verschiedenen Berichte geben wertvolle Einblicke, wie die persönliche Wahrnehmung hier sein kann.
Logo: Kathrin Fleischmann | Zeichnung: Franka Cruz | Schnitt: Peter Asanger @ants-can-dance (mit Jessica Suttner und Verena Gold)