Institutionen und Organisationen

Eltern und Kinder machen Forschung

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von Dr. Julia von Sommoggy (Universität Regensburg, Medizinische Soziologie Institut für Epidemiologie und Präventivmedizin)

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Die Forschungsgruppe „HELICAP“, ein Zusammenschluss von Wissenschaftler:innen aus Regensburg, Magdeburg, Freiburg und Hannover, hat Eltern und Kinder eingeladen, gemeinsam Forschung zu machen. Ziel war es, herauszufinden, was die wirklich wichtigen Forschungsthemen sind.

„Kann ich bitte noch mehr rote Punkte haben? Ich finde da noch drei andere Themen sehr wichtig.“ (T., 42 Jahre) „Wir sollten unbedingt eine Website machen, damit andere Kinder das auch verstehen.“ (Y., 10 Jahre) „Ich finde es sollte nicht ‚Börse vor acht‘ geben, sondern ‚Gesundheit vor acht‘.“ (A., 54 Jahre). Wer Ende Oktober zufällig durch das evangelische Bildungszentrum in Regensburg gelaufen ist, konnte ein munteres Durcheinander an Stimmen wahrnehmen, die eifrig miteinander diskutierten.

Die Forschungsgruppe „HELICAP“ ( www.helicap.org), ein Zusammenschluss von Wissenschaftler:innen aus Regensburg, Magdeburg, Freiburg und Hannover im Bereich Gesundheitskompetenz und frühkindliche Allergieprävention hatte Eltern und Kinder eingeladen, gemeinsam Forschung zu machen. Doch was soll das eigentlich heißen: Forschung machen? Forschung ist allen ein bekannter Begriff – doch so wirklich damit beschäftigen? Das machen die wenigsten von uns, allenfalls nimmt man an einer Umfrage teil. Aber wie kann man sich sonst beteiligen und warum sollte man das tun?

Ziel der HELICAP-Wissenschaftler:innen ist es, gemeinsam mit Eltern und Kindern herauszufinden, was die wirklich wichtigen Forschungsthemen sind – weg von der Wissenschaft „im Elfenbeinturm“ und hin zu den Fragen, die Eltern und Kinder wirklich beschäftigen und von der Wissenschaft beantwortet werden sollten. „Uns ist es wichtig, die Betroffenen zu hören und sie mit in unsere Forschung einzubeziehen. Auch wenn es anfangs vielleicht ungewohnt ist von Wissenschaftler:innen gefragt zu werden, was sie erforschen sollen, so können uns Betroffene oft sehr gute Einblicke in ihre Lebenswelt und ihre Bedürfnisse geben“, sagt Prof. Christian Apfelbacher aus Magdeburg. Er hat international schon viel mit Patienten- und Betroffenengruppen gearbeitet und möchte dies nun auch in Deutschland verstärkt einbringen.

 

Es wurde recherchiert und diskutiert

‚Eltern machen Forschung zu Gesundheitskompetenz: Kindergesundheit stärken? Forschungserkenntnisse nutzen? Nach verlässlichen Informationen suchen?‘ – so lautete die Beschreibung auf dem Flyer. „Ich habe den Aufruf auf WhatsApp gesehen und ich dachte mir sofort: das klingt aber spannend. Als ich meinen Kindern davon erzählt habe, wollten die auch gleich teilnehmen“, erzählt eine Workshop-Teilnehmerin bei einer Tasse Kaffee in einer kurzen Pause. Schon ertönt die Klangschale und es geht weiter.

Drei Thementische und ein Tisch extra für Kinder und Jugendliche standen zur Auswahl und wurden der Reihe nach besucht. Moderiert von Wissenschaftler:innen beschäftigten sich die Teilnehmer:innen mit den Themen „Informationen finden“, „Überprüfen von Gesundheitskompetenz“ und „Informationen verstehen“. Es wurde an Computern recherchiert und diskutiert, was hier bei der Recherche hilfreich ist und was nicht. Fragebögen zur Messung von Gesundheitskompetenz wurden unter die Lupe genommen und dann auch überlegt, ob so eine Abfrage beim Arzt überhaupt gewünscht ist. „Ich mag beim Arzt nicht geprüft werden, wie in der Schule. Der soll einfach mit mir reden“, meinte der 11-jährige S.

Mehrheitlich einig waren sich die Teilnehmer:innen, dass die sogenannte Teach-Back Methode, bei der man nochmal aufgefordert wird, das Erklärte in eigenen Worten zusammenzufassen, sehr sinnvoll ist – gerade wenn es um wichtige Gesundheitsinformationen geht. Doch wie integriert man das am besten in den eh schon stressigen Berufsalltag von Ärzten? Diese und andere Fragen wurden gesammelt und abschließend an Pinnwänden mit der Vergabe von Punkten priorisiert. Hierbei konnten die Eltern und Kinder entscheiden, welche Forschungsfragen oder –projekte aus ihrer Sicht die wichtigsten sind und in Zukunft angegangen werden sollten.

Tolle Ergebnisse und viel Spaß

„Und weißt du nun, was Curriculum heißt, Samuel?“, demonstrierte Prof. Apfelbacher bei der Zusammenfassung der Ergebnisse gleich, wie man Teach-Back anwendet. „Na klar, wurde doch gerade erklärt. Das ist wie der Lehrplan in der Schule. Halt das, was man wissen sollte.“, fasste der Zehnjährige das soeben Gehörte zusammen. Noch einmal wurde eifrig diskutiert, was denn nun aktuell am wichtigsten wäre und Punkte aufgeklebt. Die Forschungsgruppe und die Teilnehmenden waren sich einig: das war nicht nur sehr ergiebig, sondern hat auch richtig Spaß gemacht. „Wenn so etwas nochmal gemacht wird, sind wir wieder dabei. Das ist klar.“ sagte U. mit ihren zwei Töchtern.

Und wie geht es jetzt weiter? Die Forschungsgruppe fasst nun alle Ergebnisse zusammen. Anschließend wird geprüft, zu welchen Fragen es vielleicht schon Studien gibt. In einem letzten Schritt dürfen die forschenden Eltern und Kinder nochmal aktiv werden und in einer Online Befragung abstimmen, welche Themen von der Forschungsgruppe konkret in Angriff genommen werden sollen. Schon bald könnten dann die ersten Ideen im Rahmen von Studien umgesetzt und erforscht werden. Eins ist sicher: die Regensburger Familien haben erfolgreich Forschung gemacht und es ist gut möglich, dass sich die Forschungsgruppe bald wieder Unterstützung holt.

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