Bewegung ist Leben – und Inge Schnitt lebt es vor. Die 80-jährige Leiterin der Turnabteilung des SV Fortuna Regensburg begeistert seit Jahrzehnten Generationen von Kindern für den Sport.
Vor kurzem hatte Inge Geburtstag. Den feierte die Ur-Regensburgerin ganz groß, mit 150 Leuten auf Schloss Pürkelgut - das hatten die Turner vom Verein, Familie und Freunde für sie organisiert, um Inge gebührend hochleben zu lassen. Achtzig Jahre jung ist sie an dem Tag geworden. Während sich manche vielleicht zur Ruhe setzen würden, denkt Inge glücklicherweise nicht ans Aufhören. Wer sie mal in der Halle gesehen hat, versteht auch schnell, warum. Da steht eine Frau, die mit Energie und Leidenschaft bei der Sache ist und die einen wichtigen Auftrag hat: sie sorgt für Bewegung.
Ihr persönliches Aha-Erlebnis hatte Inge 1972, als sie mit ihrem Mann die Olympischen Spiele in München besuchte. Da keimte der Gedanke auf, „dass die Kinder auch was machen sollten, es gibt doch noch mehr als Fussball“. Die Eheleute treten dem SV Fortuna bei, ihr Mann wird später die Volleyballer trainieren. Die Turnabteilung gab es bereits, die war 1960 von Anna Schien gegründet worden. Anna war von Beruf Kriminalkommissarin und betreute das Turnen nebenbei. Inge stieg beim Kleinkinderturnen ein und machte 1978 ihren Fachübungsleiterschein. Sie sagt, dass sie glücklicherweise „nur“ Hausfrau war, was es ihr ermöglichte, sich intensiv dem Vereinsleben zu widmen. Ich bin überzeugt, dass sie diese Leidenschaft in jedem anderen Beruf mit der gleichen Hingabe verfolgt hätte. Denn mir sitzt eine Frau gegenüber, deren Begeisterung für ihre Vereinsarbeit und ihr unermüdlicher Einsatz für die Kinder sofort spürbar sind. Dreimal pro Woche steht sie in der Halle, und ja, manchmal zwickt es auch und sie muss sich etwas überwinden. Aber das ist alles schnell verflogen, wenn sie die Freude der Kinder sieht.
Wo liegen die größten Unterschiede zwischen damals und heute? Wenn sie auf ihre 50-jährige Turnerfahrung zurückblickt, sagt sie, dass die Unterschiede bei den Kindern gar nicht so groß sind. Früher, in der Anfangszeit, gab es gar kein Eltern-Kind-Turnen, da wurden die Kinder ab 3 Jahren gebracht und in die Hände der Trainer:innen übergeben. Die Kinder mussten also schon viel früher selbstständig sein. Heute wären die Eltern am liebsten noch bei den 5 Jährigen dabei, lacht Inge. Vor etwa 15 Jahren hat sie das Eltern-Kind-Turnen ins Leben gerufen, weil sie erkannt hat, dass es den Kleinen leichter fällt, sich gemeinsam mit ihren Eltern auszuprobieren, ohne dabei strengen Anleitungen folgen zu müssen. Das sieht sie auch als den Kern ihrer Arbeit an: den Kindern zu ermöglichen, sich ohne Angst spielerisch zu bewegen. Das bedeutet heute vor allem, mit den Eltern zu arbeiten und sie zu ermutigen, die Kinder einfach mal machen zu lassen. Die kleinen Erfolge zu feiern, die die Kinder stärken und ihnen die Angst nehmen. Deshalb organisiert Inge seit einigen Jahren eine Gala kurz vor Weihnachten, bei der alle Turngruppen kleine Aufführungen einstudieren und ihr Können präsentieren. Selbstverständlich muss nicht alles perfekt sein! So verlieren die Kinder ihre Angst, sich einer Prüfung zu stellen.
Jeden Tag Gymnastik oder ein Waldspaziergang
Früher ist sie viel mit den Kindern unterwegs gewesen, das fehlt ihr heute ein bisschen. 1978 wurde der Gruppenwettstreit eingeführt, da ist der Verein regelmäßig mit den 8-10 Jährigen zu Wettkämpfen gefahren. Inges Augen leuchten, als sie davon erzählt. Der Verein turnt bis in den Ligabetrieb, seit 1984 fährt Inge zu den internationalen Deutschen Turnfesten, die alle 4 Jahre stattfinden. Nächstes Jahr will sie mit nach Leipzig. „Wer rastet, der rostet“ – eine oft gehörte Redensart, die für Inge stets an Bedeutung und Aktualität gewonnen hat. Wir müssen uns einfach mehr bewegen. Sie tut es und sie kann auch nicht anders. Jeden Tag macht sie Gymnastik oder einen langen Waldspaziergang, natürlich neben der Arbeit für den Verein. Beim Kochen verwendet sie gute Öle oder ausgelassene Butter, folgt aber keiner bestimmten Diät oder Ernährungsweise. Man soll sich schließlich auch nicht zu sehr einengen, da bleibt ja der Spaß auf der Strecke.
Die Begeisterung für Sport und Bewegung liegt bei Inge in der Familie. Ihr Mann trainierte wie gesagt die Volleyballer beim SV Fortuna. Ihre Tochter Sandra war Head Coach im Turnen bei den Special Olympics 2023 in Berlin. Da war auch die Enkelin von Inge dabei, die seit ihrem 4. Lebensjahr von Inge trainiert wird. Luisa gewann Gold am Stufenbarren, Silber im Sprung und zweimal Bronze am Schwebebalken und im Mehrkampf.
Etwas wehmütig erzählt Inge dann von der Eröffnung des Leistungszentrums in Donaustauf, in dem auch ihre Enkelin trainiert. Eine Trainingshalle mit festinstallierten Geräten, kein zeitraubender und nervenzehrender Auf- und Abbau mehr – davon ist man in Regensburg weit entfernt.
„Wir kämpfen um die Hallen“: Inge trainiert ihre Gruppen in den Turnhallen der Willi Ulfig Mittelschule. Aufgrund der Nachmittagsbetreuung fehlt es manchmal an Möglichkeiten und in den Ferien muss der Verein immer drum kämpfen, in die Hallen zu kommen. In die Nordhalle regnet es seit einiger Zeit rein. Es wäre schön, wenn zumindest die bestehenden Schäden repariert werden würden. „Die Gertraud (Malz-Schwarzfischer) hat es mir auf meinem Geburtstag versprochen“. Inge hofft, das jetzt Bewegung in die Angelegenheit kommt.
Gerne wäre ich noch eine Stunde mit ihr bei Kaffee und Kuchen gesessen und hätte gelauscht. Gegen Ende erzählt sie mir noch, dass ihr Uropa der Schneider vom Karl Valentin war. Und ihren Großeltern gehörte bis Kriegsende das Gasthaus Drei-Mohren gegenüber vom Theater. Das klingt nach Stoff für weitere, spannende Geschichten. Jetzt danke ich ihr erstmal, dass sie sich die Zeit genommen hat der Elternzeitung vom Turnen zu erzählen. Und freue mich schon auf Freitag, wenn Inge wieder meine Tochter in der Halle in Empfang nimmt.