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"Kultur macht stark": Die Kunst des Heilens

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Josi Bäumler

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Gemeinsam mit der Künstlerin Maria Kurzok haben die Regensburger Eltern ein ganz besonderes Kunstprojekt ins Leben gerufen: Kinder und Jugendliche aus der ANKER Einrichtung durften mit Pinsel und Farben malen, was ihnen am und auf dem Herzen liegt.

Seit zwei Jahren darf ich in der ANKER Einrichtung Regensburg (Zeißstrasse) mit Flüchtlingskindern vom Kleinkind- bis ins Jugendalter arbeiten. Jedes Kind hier hat eine Fluchterfahrung und oftmals schwere Schicksalsschläge hinter sich. Es handelt sich um eine Erstaufnahmeeinrichtung, das heißt, die Familien finden nach ihrer Ankunft in Deutschland hier einen Platz. Sie stellen den Antrag auf Asyl, orientieren sich und kommen auch zur Ruhe. Die pädagogische Betreuung der Kinder ist für die Familien von großer Wichtigkeit  – zumal die Kinder erst nach drei Monaten in Deutschland in die richtige Schule gehen dürfen. Nach ca. sechs Monaten geht es für die Familien weiter, das heißt, sie bekommen oberpfalzweit eine Unterkunft zugeteilt. Für diese ersten sechs Monate bieten wir den Kindern in der Kinderbetreuung vor allem Raum und Zeit, um zur Ruhe zu kommen, zu spielen – einfach Kind sein zu dürfen.

Die Kunstprojekte Lebensfluss – Lebenslinien wurden im Rahmen des Bundesprojekts „Kultur macht stark“ von der Künstlerin Maria Kurzok mit den Regensburger Eltern e.V. in den Flüchtlingsunterkünften initiiert. In der Zeißstrasse starteten wir Anfang 2020 mit der Künstlerin Maria Kurzok und einem Team aus einer Übersetzerin, einer Erzieherin und einer Ehrenamtlichen. Viele unserer Kinder waren noch nie in einer Einrichtung, geschweige denn Schule – mit großer Freude nahmen sie den Pinsel in die Hand, fasziniert von den Farben und den großen Malflächen. Die Kinder und Jugendlichen bekamen keine Vorgaben, ihre Fluchterfahrungen wurde nicht direkt thematisiert. Sie saßen lange konzentriert an ihren Werken. Die dreijährigen Kinder tauchten ihre Hände in die Farben und ließen sie übers Papier gleiten. Die größeren Kinder fingen sehr schnell an, ganz konkrete Bilder zu malen, gegenständlich oder frei. Sie nahmen ihre Arbeit sehr ernst.

Ohne große Vorgaben Pinsel und Farbe kennenlernen, darum ging es bei diesem Kunstprojekt.

Es entstanden wunderbare Gemälde, beeindruckende Bilder, welche die Erfahrungen, Erlebnisse aber auch Träume und Wünsche der Kinder widerspiegeln. Es hat mich bewegt, mit welcher Hingabe und Ausdauer sie künstlerisch tätig waren. Wegen Corona musste das Projekt unterbrochen werden und startete im Herbst wieder im Freien. Die Kinder saßen dick eingepackt in einer Garage und im Freien vor ihren Leinwänden und gaben ihren Träumen, ihren schlimmen Erfahrungen, aber auch ihren Hoffnungen Farbe.

"Das Gemalte traf direkt ins Herz"

Die Künstlerin Maria Kurzok bestärkte vor allem die Jugendlichen darin, das zu malen, was ihnen am Herzen liegt. Ob es sich um ein Herz mit „I love you“ handelte, um ihr Haus in Syrien mit Bomben, das Flüchtlingslager in Griechenland bei Sonnenuntergang oder ganz freie Kunst – alles war richtig und wurde mit Zuspruch unterstützt. Im Vordergrund stand die Freude am Malen, am Experimentieren mit den Farben, der Spaß am gemeinsamen Arbeiten. Zum Schluss bewunderten wir die Werke, welche zum Trocknen in der Herbstsonne lagen – die kräftigen Farben strahlten und das Gemalte traf direkt ins Herz des Betrachters!

Ich möchte noch der 12-jährigen Dana (Name geändert A.d.R.) eine Stimme geben, die mit großer kreativer Hingabe am Projekt teilgenommen hat:

Die Kinder und Jugendlichen sollten malen, was ihnen am Herzen liegt.

Hallo, ich bin Dana, 12 Jahre, ich komme aus Syri­ en, einem Ort bei Aleppo, Kurdin. In meinem Land ist Krieg ausgebrochen. Wir mussten fliehen. Viele meiner Verwandten und Freunde wurden ermor­det oder in ihren Häusern bombardiert. Wir haben alles zurückgelassen und gingen in die Türkei. Wir hatten keine Schule und kein Zuhause mehr. Wir sind fünf Tage zu Fuß nach Griechenland gegan­gen. Wir schliefen in Thessaloniki in einem Zelt. Es war sehr kalt und wir lebten sieben Monate auf der Strasse ohne Schule und Geld. Wir kamen dann in ein Flüchtlingslager für zwei Jahre. Wir gingen nach Deutschland als wir unsere Pässe erhielten. Ich bin jetzt seit sechs Monaten in Deutschland und ich habe in Regensburg sehr gute Menschen getroffen. Mein Bruder und ich gehen jetzt in die Schule und wir haben ein Zuhause. Ich glaube, dass jetzt alles wunderschön wird. Ich bin so glücklich, in die Schule gehen zu dürfen und meine Familie bei mir zu haben. Ich habe sehr gute Träume, was meine Zukunft betrifft. Ich möchte Rechtsanwältin werden. Unser Haus in Syrien wurde zerstört, aber ich bin froh, weil wir zu diesem Zeitpunkt nicht Zuhause waren. Das ist meine Geschichte.

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen – ich danke den Regensburger Eltern e.V. und Maria Kurzok für diese wunderbare Aktion – die unseren Schützlingen das gab, was sie am meisten brauchen: Anerkennung und einen Weg, das Erlebte in ihren Lebensfluss, ihre Lebenslinien kreativ einzubauen, zu verarbeiten.

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