Familienpolitik, Menschen

Der Mensch ist gut! – Kurt Raster, der Weltverbesserer

Johann Brandl

Kurt Raster ist ein unruhiger Zeitgenosse. Urlaub ist für ihn wenn er ungestört schreiben kann. Ein Porträt eines Anarchisten, der aber auf keinen Fall ein Chaot ist.

Aufmerksame Regensburger werden Kurt Raster schon öfters bemerkt haben. Sei es, dass sie in einem seiner Theaterstücke (davon schreibt er zwei pro Jahr) saßen, oder bei Aktivitäten der immer wieder mal aneckenden Initiative „Recht auf Stadt“ und dem Wohnungsleerstandsmelder aufmerkten. Kurt Raster ist ein unruhiger Zeitgenosse, Urlaub ist für ihn wenn er ungestört schreiben kann und das ist nur im August, wenn er mal vier Wochen keinen anderen selbstgewählten Verpflichtungen nachgeht. Ausgehend von seinem Credo Der Mensch ist gut, setzt er auf den freien Willen des Menschen, auf einen nicht autoritären Staat der mit basisdemokratischen Mitteln die Bürger herrschaftsfrei friedliche Regeln finden lässt. Letztendlich ist er ein Anarchist, was auf keinen Fall mit einem Chaoten zu verwechseln ist.

Kurt Raster (Foto: Heribert Baumgartner)

Wir wird einer wie Raster zu einem Stadtbekannten Aktivisten?

Geboren wurde er vor 55 Jahren in einem Weiler im Bayrischen Wald in der Nähe von Fürstenstein. Aufgewachsen ist er in einem moderat liberalen Elternhaus, das ihn zwecks gymnasialer Karriere nach Passau ins katholische Seminar schickte. Dort wollte man seine schon damals mitunter aufbegehrende, kritische Art kaum war er sechzehn nicht länger ertragen und setzte ihn von einem Tag auf den anderen vor die Tür. Kunst in Form von Musik war bereits zu dieser Zeit sein Kosmos. Nach der Berufsfachschule für Musik in Plattling, kam der junge Vater eines zweijährigen Sohnes 1984 für den Zivildienst und das Fachabitur an der BOS nach Regensburg. Das Studium führte ihn von der Soziologie zur Volkswirtschaftslehre und dann zum Germanistik- und Musikerziehungsstudium. Hier fand er seinen Traumjob zunächst als studentische Hilfskraft und schließlich in Festanstellung. Beim Studentenwerk als Ton- und Videotechniker, später auch als organisatorisch, technischer Leiter des Studententheaters konnte er beides ausleben.

Denn die Zusammenarbeit mit den vielen musik- und theaterbegeisterten Gruppen junger Menschen bot gleichzeitig kreatives Leben für sein eigenes Arbeiten, erforderte organisatorisches Geschick und sorgte für ein geregeltes Einkommen. Nach rund zehn Jahren wurde diese Arbeit – nicht ganz freiwillig – beendet. Raster spricht von Mobbing und dies wurde auch zu einem der immer wiederkehrenden Themen in seinen eigenen Theaterstücken. Aus der Not – oder als schicksalhafte Fügung?– gründete er zusammen mit weiteren Schauspielern 2002 das ueTheater mit dem er seither Theaterstücke vor allem für Schulen anbietet. Um einige der aktuellen Stücke zu nennen: „Elly und Ingo“ gegen Rechtsextremismus, „Hier stinkt ́s“ gegen Mobbing und für Gewaltfreiheit, „Enisas Tagebuch“ über Flucht und Asyl einer authentischen Geschichte über eine Roma Familie aus dem Kosovo, „hab mich lieb“ gegen Vorurteile und für eine selbstbestimmte Sexualität, „Schüttelfrost“ über Drogen und Sucht.

Das ueTheater ist der Überbau für Bereiche, die man in die Rubriken Schultheater – Schulpädagogik – Universitätstheater – Buntes Theater (Agitation, Strassen, polit. Theater) einteilen könnte. Letzteres konnte man bei der Aktion zur Umbenennung der D. Martin Luther Strasse in Elly Maldaque Strasse erleben. Gerade Elly Maldaque ist für Raster ein Symbol für ein selbstbestimmtes freiheitsliebendes Leben das sich auch unter Druck nicht beugen will und kann. Aktuell ist die Existenz des ueTheater vom Studentenwerk bedroht. Mit eigens aufgestellten Regeln versucht es die Erinnerungsarbeit für Elly Maldaque, einem frühen Opfer des heraufziehenden Nazistaates, zu verhindern. Laut Raster sollen „Tausende Euro Strafgebühren das ueTheater zum Schweigen bringen.“

Es ist unglaublich, mit welch geringen Mitteln diese ganzen Aktivitäten finanziert werden und mit welch geringem monatlichen Einkommen Kurt Raster über die Runden kommt. Aber die Zufriedenheit die er ausstrahlt überzeugt! Das alles, so sagt er, geht nur weil er eine (noch) relativ günstige Miete zahlt und damit sind wir bei seinem zweiten gesellschaftspolitischen Standbein. Der Initiative Recht auf Stadt (gegründet 2015) und ganz neu der Solidarischen Stadt Regensburg (2018).

Die Aktion zur Umbenennung der D. Martin Luther Strasse in Elly Maldaque Straße (Foto: Herbert Baumgärtner)

Regensburg wird zum Armutsrisiko

Wer in Regensburg nicht in den eigenen abbezahlten Räumen wohnt, weiß was Raster meint. Auch in Regensburg ist es keine Seltenheit mehr, dass man fünfzig Prozent und mehr vom verfügbaren Einkommen aufwenden muß, um auch nur eine einfache bescheidene Bleibe zu finden. Für Niedriglöhner, junge Familien mit Kindern und oft nur einem Einkommen, Rentner und Studenten, Künstler, Behinderte und Pflegebedürftige führt das stets steigende Mietniveau teilweise direkt in die Privatinsolvenz. Auf alle Fälle jedoch in ein prekäres finanzielles Leben oft ohne Aussicht auf Besserung. Die Mittelbayerische schrieb dazu unlängst, dass wegen der steigenden Preise viele Regensburger ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Auch und gerade wegen dem sogenannten Boomtownfaktor ist die Stadt für viele zum Armutsrisiko geworden. Zu wenig und zu hochpreisiger Wohnungsbau führt viele Bürger:innen in eine stetig brenzliger werdende Situation.

Die Aktivisten rund um Rasters Recht auf Stadt fordern daher in der jüngsten Eingabe an den Stadtrat „Menschen mit Wohnraum zu versorgen ist die ureigenste Aufgabe einer Stadtregierung. Wenn eine Regierung dies nicht erfüllen kann bzw. nicht erfüllen will, hat sie ihre Legitimation verloren. Alle Parteien versprachen, etwas gegen die Wohnungsnot zu unternehmen. Geliefert wurde bislang nur ein riesiger, beschämender Korruptionsskandal und weiter steigende Mieten.“ Dabei werden auch Forderungen wie eine Enteignung der Enteigner (neoliberale Tabus) nicht ausgenommen.

Die Initiative fordert darüber hinaus, dass eine aktive Teilhabe an der Stadtgesellschaft möglich sein muss. „Nulltarif im ÖPNV für autofreie Städte“ gehört zu diesem Forderungspaket ebenso wie eine freie Nutzung von leerstehenden öffentlichen und privaten Gebäuden und Flächen. Wenn man sich bei diesen Forderungen nicht nur im akademisch gemütlichen Milieu der „Salonsozialisten“ bewegt, bekommt man es sehr schnell mit staatlichen Reaktionen zu tun. Denn „Geld, Macht und Beziehungen reagieren sehr schnell mit juristischen Mitteln“. Konkret war dies bei der Schliessung des Michlstifts zu beobachten oder beim Rechtsstreit um Flugblätter, die die Missstände in privaten Regensburger Altenheimen aufzeigten. Trotz eines sehr überzeugenden Berichts bei „Quer“ im Bayrischen Fernsehen wurde Recht auf Stadt vor den Kadi gezerrt und der Fall ist noch nicht entschieden. Dass die Berichte und Recherchen nicht unbeachtet bleiben merkt man daran, wie hart bei dem sehr intensiv genutzten „Leerstandsmelder“ mit harten juristischen Bandagen gegen die Initiative vorgegangen wird.

„Alle Menschen, egal wo sie herkommen, sollen in unserer Stadt Schutz und ein menschenwürdiges Leben finden.“


Das Manifest der Solidarischen Stadt Regensburg greift auf die seit 1948 geltende Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zurück, sie ist aktuell wie eh und je. In der Präambel heißt es: „Solidarity City” ist ein Projekt von Recht auf Stadt, das perspektivisch viele Gruppen miteinander vernetzen soll. Ziel ist eine “Solidarische Stadt Regensburg”. Alle Menschen, egal wo sie herkommen, sollen in unserer Stadt Schutz und ein menschenwürdiges Leben finden. Gemeinsam wollen wir alle Möglichkeiten einer Kommune ausschöpfen, ...“ Gedacht wurde dabei vor allem auch an die große Zahl der Geflüchteten Menschen in Regensburg.

Es sind nicht die großen Massen, die mit Kurt Raster um eine gerechtere und schönere Welt kämpfen aber er steht auch nicht alleine. Häufig trifft man sich in Räumen des Bund für Geistesfreiheit in der Hemauerstrasse 15. Beim Interview sitzt mir Kurt Raster bescheiden und ganz entspannt gegenüber. Er wirkt ruhig und gelassen und nicht wie ein 55-jähriger, zweifacher Großvater. Hört man ihn sprechen und handeln, spielen und argumentieren, dann spürt man die Energie, die in ihm steckt und den Eifer eines Weltverbesserers. Man muss nicht (immer) seiner Meinung sein, aber ein querulantischer Wirrkopf – wie ihn viele abschätzig nennen – ist er nicht. Die Welt da draussen ist chaotisch, ungerecht und stützt oft nur das barbarische Recht der Stärkeren.

Will man das auch nur ein bisschen ändern braucht man Menschen wie ihn.