Die gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen der 90er Jahre machten auch vor den Regensburger Eltern nicht halt. Sie standen vor der großen Verantwortung, die Finanzen für ihre Projekte zu sichern und den immer größer werdenden Verein professionell zu verwalten. Bei all diesen Aufgaben kam aber auch das Feiern nicht zu kurz.
Das große Thema der 90er Jahre war die Wiedervereinigung Deutschlands. Es kam einiges in Bewegung. Der Staat hatte enorme finanzielle Belastungen zu tragen, im Westen wurde gespart, im Osten musste die Infrastruktur aufgebaut, die marode Industrie „abgewickelt“ werden und plötzlich waren Millionen von Menschen arbeitslos, Hunderttausende zogen von Ost nach West. In diesem Umfeld verfolgten die Regensburger Eltern weiter ihr Ziel Vorreiter und -denker für die Bedürfnisse von Eltern und Kinder zu sein. Immer war es schwierig, die Aktivitäten personell und finanziell zu schultern. Viele der alten Forderungen – Frauenemanzipation, kleinere Klassen, mehr Kinderbetreuungsplätze – wurde vor allem durch den immer größer werdenden Anteil der berufstätigen Mütter auch im Westen zur Selbstverständlichkeit.
Woher kommt das Geld für unsere Projekte?
Auch bei den Regensburger Eltern sind die Finanzen in dieser Zeit ein zentrales Thema. Die Kassenführung des Vereins liegt in der Hand von Ehrenamtlichen, die langjährige Kassenführerin Dr. Ursula Breitkopf beschreibt die Situation: „In die Einrichtungen der Kindertagesbetreuung fließen Personalkostenzuschüsse der Stadt Regensburg – bei den Krabbelstuben sind dies freiwillige Leistungen – durch die die wesentlichen regelmäßigen Ausgaben, eben die Personalkosten, gedeckt sind; außerdem erhalten wir Mietkostenzuschüsse. Anders verhält es sich bei der Kontaktstelle Elternhaus-Schule, in der Kinder mit Lern- und Leistungsstörungen behandelt werden. Hier müssen die Kosten von der Kontaktstelle selbst finanziert werden durch ihre Therapieleistungen, die von den Eltern beantragt und von der Stadt bzw. dem Landkreis im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe bewilligt und übernommen werden. Die Kontaktstelle fährt finanziell nicht in so ruhigem Fahrwasser wie unsere vorschulischen Einrichtungen”.
Ausbau der Organisation
Grundlage einer guten Organisation ist der Ausbau der Verwaltung und der Geschäftsstelle. Als langer und wichtiger Wegbegleiter ist hier Werner Irrgang zu nennen, der als Beirat und Vorstand das technisch-organisatorische Herz der Regensburger Eltern wird. Mit ihm und einem digitalisierten Archiv zieht endgültig die EDV in die Verwaltung ein und vor allem die Erstellung der Elternzeitung wird sehr viel leichter und besser. Die Räumlichkeiten der Geschäftsstelle werden 1997 mit Unterstützung der Architektin Ulla Basqué professionell umgestaltet. Bis dahin von Ehrenamtlichen oder ABM-Kräften betreut, gibt es ab 1997 an vier Vormittagen eine Sozialpädagogin. Für die Kontaktstelle angestellt, erledigt sie in der Geschäftsstelle auch die laufenden Büroarbeiten des Vereins, organisiert den Babysitterdienst, berät Hilfe suchende Eltern mit Schul- und Erziehungsproblemen und informiert Familien, die Auskünfte über die Angebote der Stadt und anderer Träger für Unterbringungs- und Betreuungsmöglichkeiten suchen. Die Telefonnummer der Geschäftsstelle ist übrigens seit 1974 unverändert geblieben.
„Wir mussten zwar auch Geld verdienen, aber es war auch einfach toll, zusammen zu feiern.“
Kontinuität im Vorstand
Im Gremium des Vorstands gibt es mit Michaela Burghardt große Kontinuität. Ihre Karriere beginnt – wie bei vielen – im Zeitungsteam, von 1991-2005 bekleidet sie in wechselnder Gesamt-Besetzung das Vorstandsamt. Michaela Burghardt beschreibt die Vielfältigkeit ihrer Aufgaben: “Als ich in den Vorstand kam, habe ich von erfahrenen Beiratsmitgliedern gelernt, wie man die Anliegen des Vereins nach außen vertritt und Eltern zu gemeinsamen Aktionen motiviert, aber auch wie man Behördenanträge stellt und Verwaltungskram erledigt. Die Arbeit in einem gemischten Team aus Ehrenamtlichen und professionell ausgebildeten Mitarbeiterinnen war nicht immer einfach und ich wundere mich heute noch, wie wir das geschafft haben. Was ich fürs Leben mitgenom- men habe? Dass man gut zusammenarbeiten und bei Rückschlägen nicht aufgeben soll”.
Der Kampf für gute Pädagogik geht weiter
Viele Projekte der Regensburger Eltern werden weitergeführt und etablieren sich. In der Kontaktstelle Elternhaus-Schule gibt es einen Leitungswechsel. Von den Hauptinitatorinnen Ursula Staudacher, Edith Lada und Luise Teichmann-Schneider 1974 gegründet, übernimmt die Psychologin Luise Teich- mann-Schneider ab 1995 die Leitung und be- gleitet 1998 auch den Umzug in die Räume am Hochweg.
Der Ausbau der Krabbelstuben in Regensburg schreitet voran, auch wenn die öffentliche Kritik an dieser Betreuungsform noch nicht verstummt ist. Zur Finanzierung ist der Verein noch lange auf private Spenden angewiesen. Ulrike Viertel, Krabbelstubenerzieherin der ersten Stunde, beschreibt die Situation: „In den Anfangszeiten gab es natürlich viele finanzielle Probleme, aber auch die Akzeptanz einer Krabbelstube mit all ihren konzeptionellen Notwendigkeiten für Familien ließ in der Stadt Regensburg zu wünschen übrig! Mittlerweile sind Krabbelstuben und Kinderkrippen in aller Munde und viele Politiker tun so, als hätten sie diese Einrichtungen erfunden, obwohl fast 30 Jahre hart von Mitarbeiterinnen für diese Lobby gekämpft wurde. Mütter und Väter mussten sich rechtfertigen, warum sie arbeiten gehen und ihre Kinder in die Betreuung von pädagogischem Fachpersonal geben!”.
Die Regensburger Eltern werden wieder ihrer Vorreiterrolle gerecht. Nach dem Umzug in die Fidelgasse 1994 wird der Betrieb der ersten Krabbelstube auf vier Gruppen ausgeweitet. 2001 eröffnet der Verein unter der Leitung von Petra Bauer eine weitere Krabbelstube. Mit der Altmannstraße wird bewusst ein Stadtviertel mit hohem Migrationsanteil gewählt. Die Regensburger Eltern wollen für ein familienfreundliches Klima in der ganzen Stadt sorgen.
Neben der Arbeit wird auch ausgiebig zusammen gefeiert
Bekannt sind die Regensburger Eltern auch dafür, dass sie gut feiern können. Bürgerfest, Brückenfest, Jahninselfest, Gassenfest, Kinderbürgerfest, all das schweißt zusammen. Die Beteiligung an den Festen hat immer auch einen politischen Charakter. Der Verein will öffentlich auf soziale Missstände hinweisen, Informationen für Eltern bieten und Kindern einen Platz zum Spielen und Leben in der Stadt geben. Gertrud Maltz-Schwarzfischer, seit 1992 aktives Vereinsmitglied und von 2003-2007 Vorständin des Vereins, fasst es zusammen: „Wir mussten zwar auch Geld verdienen, um den Verein über Wasser halten zu können, aber es war auch einfach toll, etwas zusammen zu bewegen und zusammen zu feiern“.
Auch in den Einrichtungen wird großer Wert auf ein gutes Miteinander gelegt. Ulrike Viertel erinnert sich: „Es gab sehr lustige Eltern- und Teamabende, wenn der offizielle Teil vorbei war. Wir veranstalteten Sonderelterntreffs wie z.B. einen Hütebastelabend für den Bürgerfeststand, es entstanden sehr originelle, fantasievolle Kopfbedeckungen. Früher gab es noch Sommerabschlussausflüge mit den Familien per Fahrrad, Schiff, Zug oder – wie jetzt immer noch – das Sommerabschlussfest jeder einzelnen Gruppe! Wir hatten wirklich sehr viel Spaß!”.