Eltern fragen - Experten antworten, Schulkind

Sollen wir unseren Sohn wirklich schon einschulen?

Regensburger Eltern

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Bei Kindern, die nach dem 30. Juni geboren sind, können die Eltern entscheiden, ob das Kind in die Schule kommen oder noch ein Jahr warten soll. Keine leichte Entscheidung. Das sagen unsere Expert:innen.

Wir haben unseren Sohn Benjamin (5 Jahre) für die Schule angemel­det. Benjamin hat Mitte Oktober Geburtstag und kann auf Antrag der Eltern in die Schule gehen. Die Anmeldefrist lief bis März und wir haben zuvor lange hin­ und herüberlegt, dis­kutiert, mit der Erzieherin im Kindergarten gespro­chen, andere Eltern ge­fragt und sind uns nun immer noch nicht sicher. Wir finden, dass er sehr aufgeweckt ist und bereits ein bisschen rechnen kann. Die Erzieherin meint, die Schule wäre kognitiv kein Prob­lem, er ist manchmal etwas un­ruhig, aber es sind ja noch sechs Monate bis Schulbeginn. Falls er eigene Motivation findet, zum Beispiel beim Fußball, Baustellen errichten oder sich Unfug ausdenken, ist er sehr ausdauernd und konzentriert. Still sitzen im Restaurant, zuhören im Stuhlkreis oder Brettspiele spielen, macht Benjamin gar nicht gerne und er setzt eigentlich meistens seinen Kopf durch. Jetzt habe ich Sorge, dass wir uns in einem täglichen Kampf mit Hausaufgaben erledigen und Lesen üben aufreiben. Bei einer Einschulung nächstes Jahr ist er dann älter und sicher auch vernünftiger. Was können Sie uns raten?

1Mit der Schule sprechen

Am besten suchen Sie noch einmal das Gespräch mit der Schule. Altersgemäße kognitive Fähigkeiten sind nur ein Teil der Voraussetzungen für einen erfolgreichen und freudvollen Schulstart. Darüber hinaus sollten noch weitere Aspekte berücksichtigt werden. Dazu gehören Motivation (z.B. Möchte Benjamin schon zur Schule gehen und Lesen, Schreiben, Rechnen lernen oder hat er noch mehr Freude beim freien Spiel im Kindergarten?), Ausdauer (z.B. bringt er Spiele oder Aufgaben zu Ende, wenn er sie nicht selbst gewählt hat?), Frustrationstoleranz (z.B. kann er aushalten, wenn etwas nicht gleich klappt oder er nicht sofort drankommt?), Selbstständigkeit (z.B. zieht er sich alleine und in angemessener Zeit an?) und Sozialkompetenz (z.B. fühlt er sich auch in einer Gruppe angesprochen, kann sich einordnen und mit anderen Menschen in Kontakt treten?). Außerdem sollten Sie auch in der Familie überlegen, welche Veränderungen der Schulstart im Familienalltag mit sich bringen wird. Schulweg? Nachmittagsbetreuung? Geschwister in der Schule? Bei der Klärung Ihrer Fragen bekommen Sie gerne Rat und Unterstützung durch Schulpsycholog:innen und Beratungslehrkräfte, die es an jeder Schule gibt. Schulberatung ist kostenlos, ergebnisoffen und vertraulich.

Christine Frey

2Im Zweifel ein Jahr länger Kindergarten

Die reguläre Schulpflicht in Bayern gilt für alle Kinder, die bis zum 30. September des Jahres sechs Jahre alt sind bzw. werden. Diese Regelung trägt zahlreichen Studien Rechnung, in der vorzeitig eingeschulte Kinder untersucht wurden. Sehr häufig waren die Noten dieser Schüler schlechter, als die ihrer Klassenkameraden. Denn auch wenn ein Kind schon ein bisschen rechnen, seinen Namen schreiben oder etwas lesen kann, fehlt oft die geistige Reife, sich 45 Minuten auf etwas konzentrieren oder stillsitzen zu können. Auch in puncto emotionaler Widerstandsfähigkeit und Frustrationstoleranz machen einige Monate in der Entwicklung oft viel aus. Zum Vergleich: in Finnland – Spitzenreiter in den Pisa-Studien – werden alle Kinder erst mit sieben Jahren eingeschult. Kinder, die zwischen dem 1. Oktober und 1. Dezember geboren wurden, sind sogenannte Kann-Kinder, sie können auf Antrag der Eltern eingeschult werden. Bei nach dem 1. Dezember geborenen Kindern wird darüber hinaus ein schulpsychologisches Gutachten benötigt, in dem die Schulfähigkeit bestätigt wird. Auch wenn es natürlich die alleinige Entscheidung der Eltern ist, plädiere ich persönlich dafür, die Kinder im Zweifelsfall ein weiteres Jahr im Kindergarten zu lassen. Meist ist es für Kinder einfach schön, auch mal zu den Älteren zu gehören und anstatt Hausaufgaben erledigen zu müssen, noch ein Jahr spielen zu können. Es muss ja schließlich später in Schule und Beruf noch sehr lange, sehr viel geleistet werden.

Daniel Reger

3Lieber spielen, spielen, spielen

Die Schulreife setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Nicht nur kognitiv wird von ErstklässlerInnen einiges abverlangt, auch sozial, körperlich und emotional müssen die Kinder schulreif sein. Es sind Fragen wie, kann mein Kind eigene Motivation aufbringen, zuhören, Kritik annehmen, Regeln befolgen, den Schultag durchhalten, im Team arbeiten, sitzen bleiben , Leistungsdruck standhalten, Toleranz gegenüber anderen aufbringen, die sich Eltern stellen müssen, wenn sie ihr Kind einschulen wollen. Zurecht sind da einige Eltern überfordert oder auf die Hilfe von Erzieher:innen und Freund:innen angewiesen. Aus Lehrer:innen und aus Elternsicht würde ich persönlich mein Kind mit 5 Jahren, selbst wenn es nach oben genannten Kriterien schulreif wäre, nicht einschulen. Warum einem Kind ein Jahr seiner ungezwungenen Kindheit nehmen? „Spielen, spielen, spielen“ – diese Zeit hört mit dem Beginn der Schule auf. Egal wie gut ein Erstklasskind seinen Schulalttag meistert, nachmittags müssen Hausaufgaben erledigt werden und die Zeit zum freien Spielen ist nicht mit der Zeit vor dem Schuleintritt zu vergleichen. Es gibt Eltern, die argumentieren für einen Schuleintritt mit 5 Jahren, ihr Kind langweile sich im Kindergarten. Echt? Die Eltern können die Nachmittage so gestalten, dass ihr Kind gefordert ist, vielleicht will es eine neue Sportart lernen, ein Musikinstrument ausprobieren, schwimmen….. Es gibt so viel Spannendes zu erleben. Nutzen Sie die Zeit vor der Schule, das alles auszukosten. Ihr Kind wird dann noch lange genug zur Schule gehen, was auch gut so ist und auch lange genug arbeiten!

Sophia Eichinger

Titelbild gemalt von Vincent (7)

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