Was wäre, wenn wir Schule neu dächten? Ein Gespräch mit Tom Gillich, Barbara Koller und Christian Rohleder von conceptk
Jedem Schulkind, das 2026 eingeschult wird, steht ein Ganztagesplatz bis zum Eintritt in die fünfte Klasse zu. Im Rahmen des „Ganztagsförderungsgesetzes“ wurde dieser bundesweite Rechtsanspruch mit der Zustimmung durch Bundestag und Bundesrat im September 2021 beschlossen. Blickt man auf die aktuelle Situation der Schulen kann man sich die Realisierung nicht so recht vorstellen. Es zeigen sich Lehrkraftmangel, stagnierende Sanierungen von Schulgebäuden, beengte Räumlichkeiten, veraltetes Mobiliar, Schwierigkeiten in der organisatorisch-räumlichen Koordination von Schule und Mittagsbetreuung und die Auswirkung des pädagogischen Fachkräftemangels auch in der Hortbetreuung. Jeden Sommer gibt es Berichte von Eltern, die den notwendigen Platz für eine Nachmittagsbetreuung des Erstklässlers nach einer vorhergehenden Absage erstreiten müssen. Erschwerend zeigt sich der statistische Blick auf die Geburtenrate in Deutschland, welche im Jahr 2021 gestiegen ist (www.destatis.de, Pressemitteilung vom 3.8.22), Kinder, die 2027/ 2028 in die Schule kommen werden. Denken wir an weitere Aufgabenbereiche von Schule wie Inklusion und Integration oder Digitalisierung, so erscheint die Situation nicht ermunternder.
Aus ungünstigen Bedingungen werden neue Ideen
Zugleich liegt in der Ganztagsbetreuung, offenen oder gebundenen Ganztagesschule, in Inklusion und Digitalisierung ja auch eine große Chance. Was wäre, wenn wir Schule neu dächten? Wenn aus den ungünstigen Rahmenbedingungen neue Ideen zur Gestaltung von Lernorten und Lernräumen entstünden? Wenn wir Synergien intensiver nutzten, Ressourcen schonten, nachhaltiger planten und Energie und Expertise bündelten? Wenn Lernorte nicht nur Räume böten, sondern buchstäblich einlüden zum Lernen und Lehren, Verweilen und Kooperieren?
Bei conceptk beschäftigen sich Expert:innen aus Architektur, Innenarchitektur, Projektmanagement und Betriebswirtschaft, IT-Technik und Pädagogik mit den dazu notwendigen Fragen und begleiten Bildungsstätten aller Schulformen von der frühkindlichen Bildung bis hin zur Erwachsenenbildung in der Planung, Gestaltung und Konzeption der Um- und Neugestaltung von Lernorten.
Alle von Anfang an mitnehmen
Im Gespräch mit Barbara Koller, Tom Gillich und Christian Rohleder wurde schnell deutlich, dass es hierzu immer Menschen braucht, die etwas bewegen möchten. Sei es eine möglichst umfassende Neugestaltung eines Schulgebäudes oder eine möglichst kostengünstige, möglichst zügige, möglichst nachhaltige, möglichst moderne Schaffung von Lernraum. Manchmal sei es auch die Not, die Entscheidungsträger:innen zu conceptk führte. Der akute Platzmangel, fehlendes Personal sowie fehlende finanzielle Ressourcen führten mitunter zur Offenheit für innovative Konzepte und multifunktionale, kooperative Lösungen. Den Punkt finden wir besonders spannend. Hier könnten sich also Pragmatismus und Idealismus treffen. Aber wie kann das gelingen? Was ist notwendig, damit ein An-, Neu- oder Umbau einer Schule und Bildungseinrichtung dem Lernkonzept entspricht, offene Lernformen eröffnet und modernen Unterricht für die nächsten Jahrzehnte ermöglicht?
Wichtig sei es hier vor allem, die Akteure bereits in Phase 0 mitzunehmen. Schulträger, Kommunen, die Schulfamilie mit Schulleitung, Lehrenden, Elternvertreter:innen und Schüler:innen, sowie anwohnende Bürger:innen sollten miteinander ins Gespräch kommen, um ein umfassendes Gesamtbild des Schulprojekts mit allen Bestandteilen der Planung und des Lernkonzepts entstehen zu lassen. Viele Fragen können hier gestellt werden: Wie entwickeln sich die Schüler:innenzahlen und wie passt sich Schule daran an? Ist eine zeitgemäße und zukunftssichere Gebäudestruktur möglich? Wie sieht das pädagogische Konzept aktuell und in Zukunft aus? Wie kann man die Räumlichkeiten optimal nutzen? Welche Abläufe und welche Handlungen belegen welche Nutzungen und wie können diese sinnvoll verknüpft werden? Wie kommen wir in die Schule und wie sieht ein zukunftsfähiges Verkehrskonzept für die Schule aus?
Kreuzschule als gelungenes Beispiel
Unterstützend in der Beantwortung dieser Fragen werden Workshops, Exkursionen zu anderen Schulen und Einrichtungen sowie Impulsvorträge angewandt. Ziel sei es, einen Funken zu setzen, bzw. bei den Teilnehmenden entstehen zu lassen, aus dem heraus das Projekt weiterlaufen und über die nächsten Phasen der Umsetzung, der wirtschaftlichen Abstimmungen und Ausschreibungen getragen werden kann. Die Beteiligten erleben sich im besten Fall als Team. Um die entstandenen Ideen auch in die Phase der Planung mitzunehmen, ist hierzu manchmal eine weitere Projektsteuerung nötig.
Blicken wir uns in Regensburg um, so sehen wir hier bei Schulneubauten der letzten Zeit auch, in einigen Punkten, gelungene Beispiele. So nimmt das neue Gebäude der Kreuzschule am alten Stadion zwar viel steinernen Raum ein. Betritt man jedoch das Haus, so ist es äußerst hell, weite Gänge dienen als Lernstraßen mit Kommunikationsorten und Aufenthaltsräume als Ruheoasen, die Klassenzimmer verfügen über Differenzierungszimmer und die moderne Architektur gliedert sich zukunftsorientiert in Lernhäuser. Auch die Grundschule am Sallerner Berg wird durch Einbindung der Schulfamilie am pädagogischen Konzept orientiert im Lernhausprinzip geplant.
Draußen-Schule ist ein Erfolgsmodell
Nicht immer ist aber der große Wurf im Sinne eines Neubaus möglich. Wie also kann eine Umgestaltung des vorhandenen Raums gelingen, um moderne Unterrichtsformen zu ermöglichen? Ein wunderbares Beispiel dürfen die Regensburger Eltern e.V. ab September in das zweite Projektjahr begleiten: die „Draußen-Klassen“ der Pestalozzi-Mittelschule. Schüler:innen und Lehrer:innen gehen hier an verschiedene außerschulische Lernorte und lernen gemeinsam unter freiem Himmel. Das Projekt läuft so gut an, dass es nun zwei Klassen geben wird. Wir berichteten bereits.
Podiumsdiskussion „Was passiert mit dem Ganztag?“
Ganz zum Schluss beschäftigt uns dann noch eins. Während unseres intensiven und anregenden Gesprächs bei conceptk nahmen wir verschiedene Blickwinkel ein und argumentierten aus Sicht vieler erwachsener Beteiligter. Eine Gruppe darf und soll aber vor allem im Blick und teilnehmend an dieser Diskussion und diesen Gedanken sein: die Kinder.
Wäre das nicht die eigentlich interessante und notwendige Frage: Wie sehen Lernende die Schule der Zukunft? Wie sehen und wünschen sich Ihre Kinder Schule? In unserer nächsten Ausgabe möchten wir gerne etwas über die Sicht der (Schul-)Kinder und Jugendlichen schreiben.
Schreibt uns Eure Wünsche und Ideen für die Schule der Zukunft an info@regensburger-eltern.de