Eltern fragen - Experten antworten

Wie rede ich mit meinem Kind über Krieg?

Regensburger Eltern

Die vielen Nachrichten über den Krieg in der Ukraine gehen auch an unseren Kindern nicht spurlos vorbei. Wie kann man mit ihnen altersgemäß über diese Ereignisse sprechen? Das sagen unsere Expert:innen.

Die vergangenen Wochen wurden wir wieder einmal durch furchtbare Kriegsnachrichten – diesmal aus der Ukraine – geschockt. Die Bilder, Filme, tägliche Gespräch in der Familie, Kita, Schule und Öffentlichkeit, gehen auch an den (Klein-) Kindern nicht spurlos vorbei. Wir als Großeltern haben schon viele bewaffnete und mörderische Konflikte miterlebt, glücklicherweise meist nur über die Medien. Trotzdem gehen die Nachrichten aus der Ukraine den meisten sehr viel näher als andere Kriege, die in weiter entfernten Regionen der Welt stattfanden und finden, wie z. B. im Sudan, Jemen oder Myanmar. Wie kann man mit Kindern altersgemäß über diese Ereignisse sprechen? Welche Bilder aus den Medien und Nachrichten dürfen sie sehen? Welche eigenen Meinungen und Erfahrungen dürfen in die Gespräche mit Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter einfließen? Was sollte man vermeiden, um sie nicht zu verängstigen oder gar zu traumatisieren und was kann man tun, wenn sie schon verängstigt sind?

1Den Kindern zuhören

Nachrichten und Bilder vom Krieg können bei Kindern wie auch bei Erwachsenen Angst und Beklemmung auslösen. Daher ist es wichtig, das Problem ernsthaft anzugehen. Erstens sollte man den Kindern zuhören und auf Anzeichen von Angst oder Beklemmung achten. Wenn sie Fragen stellen, sollten sie ehrlich, einfach und klar beantwortet werden. Zwingen Sie das Kind jedoch nicht zu Gesprächen über den Krieg, wenn es nicht darüber sprechen möchte. Man kann seine eigenen Ängste mit dem Kind teilen, damit es sich nicht allein fühlt. Versuchen Sie, den Zugang zu den Medien einzuschränken. Kleinkinder und Kindergartenkinder sollten keine Berichte über Kriegsgebiete sehen. Grundschulkinder sollten sich nicht alleine Bilder und Videos aus Kriegsgebieten ansehen. Im Internet gibt es spezielle Nachrichten für Kinder. Dies ist eine gute Möglichkeit, sie auf sichere Weise zu informieren.

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Florence L'Abbé

2So viel wie nötig, so wenig wie möglich

Mit Kindergartenkindern wenn möglich gar nicht. Es sei denn, es tauchen Fragen auf. Dann müssen wir die Fragen in jedem Fall kindgerecht und sachlich beantworten. Uns Eltern muss bewusst sein, dass die Nachrichten, die wir derzeit hören und sehen auf Kinder traumatisierend wirken können. Außerdem sind vor allem für kleinere Kinder die Informationen in Bezug auf den Angriffskrieg nicht greifbar. Sie sollten also auch nicht mit Informationen belastet werden, die sie nicht einordnen können. Das heißt für mich auch ganz klar, im Beisein meiner Kinder nicht über den Angriffskrieg zu sprechen.

Wie kann ich mit meinem Kind sprechen, wenn es trotzdem etwas aufschnappt? Es ist wichtig die Kinder mit den Informationen nicht alleine zu lassen und ihnen nichts vorzugaukeln. Aussagen wie „Alles ist gut“ finde ich in diesem Zusammenhang fehl am Platz. Kinder spüren, wenn Eltern nicht die Wahrheit sagen. Auch Mutmaßungen, was noch alles passieren kann sind fehl am Platz. Vielmehr sollten wir - wenn nötig - in kindgerechten Worten sagen, was gerade passiert (z. B.: „Zwei Länder haben Streit und viele andere Länder helfen mit, um den Streit zu lösen.“), Gefühle auffangen und Sicherheit vermitteln („Du musst dich um nichts kümmern. Du bist hier sicher.“). Alle Gefühle sind erlaubt und dürfen Ausdruck finden. Im Anschluss muss wieder zur Tagesordnung bzw. zum Spielen übergegangen werden.

Anne-Katrin Brandl

3Ruhige Haltung ist wichtig

Die Kriegsgeschehnisse berühren auch uns Erwachsene tief und die heutige Großelterngeneration wurde von Eltern aufgezogen, die selbst Trauma, Gewalt und Vertreibung im 2. Weltkrieg erlebt haben. Die Geschehnisse rühren deshalb an tief in die Familien eingegrabenen Folgen für die Betroffenen. Eine wichtige Frage ist deshalb auch, wie uns Erwachsene gerade der Ukrainekrieg persönlich berührt, da die Betroffenen Völker auch mit der deutschen Geschichte eng verbunden sind. Wichtig kann in diesem Zusammenhang sein, sich bewusst zu machen, dass die jetzigen (Klein-) Kinder in der dritten Nachkriegs-Generation leben und dass sie sich grundsätzlich nicht so bedroht fühlen wie die Erwachsenen. Es kommt im Gegenteil sehr darauf an, mit welchen Gefühlen und Sorgen wir als Erwachsene mit den Kindern umgehen. Eine ruhige und beruhigende Haltung bei dem ganzen Thema ist nämlich für jede Altersstufe der Kinder wichtig und wir können mit Verantwortung übernehmen, nicht unsere eigenen Gefühle zu stark in die Beziehung zu den Kindern hineinzutragen. Beim Reden mit den Kindern über Kriegsnachrichten kommt es daneben besonders darauf an, das Alter zu berücksichtigen, da die kindliche Weltsicht sehr altersabhängig ist.

Babys und Kleinkinder bis zum Grundschulalter reagieren auf die Gefühle der direkten Bezugspersonen, d.h. sie nehmen z.B. deren Ängste sehr schnell auf, v.a. über die Mimik und den Tonfall bei den Gesprächen. Gleichzeitig können die Kleinkinder keine komplexen Zusammenhänge verstehen und deshalb verstörende Bilder oder Töne nicht gut einordnen. Deshalb sollten Eltern und Großeltern Kinder von Medieninhalten über Krieg, Flucht und Vertreibung fernhalten und nicht allein mit den Medien lassen. Sie sollten auch aufgeregte Erwachsengespräche im Beisein der Kinder über diese Themen vermeiden. Am ehesten hilft es, ruhig sein und beim Alltag und den Interessen der Kinder zu bleiben: Das Weltgeschehen muss sie (noch) nicht interessieren bzw. nur so weit wie sie es direkt betrifft, z. B. wenn der Papa Soldat und im Einsatz ist, oder die Familie selbst auf der Flucht oder bedroht ist. Letztlich ist es die Aufgabe der Erwachsenen, den Kindern zu vermitteln, dass sie sich sicher fühlen können und dürfen.

Ab dem Grundschulalter bis zur Pubertät entdecken Kinder nun durch Lesen und Schreiben die Welt, und werden neugierig, was außerhalb der familiären Welt passiert. Sie können allgemeine klare Regeln im Zusammenleben verstehen und vertreten, und suchen die Zugehörigkeit zu Gleichaltrigen und Gruppen. Damit können die Kinder nicht mehr von „Älteren“ und auch nicht von den Nachrichten abgeschottet werden. Hinzu kommt, dass alterstypisch nun eigene neue Ängste (auch vor Krieg, Krankheit und Tod) entstehen, weil die Kinder dies geistig nun besser verstehen. Kinder können deshalb in diesem Alter große Sorgen und Ängste entwickeln. Bezugspersonen wie Eltern und Lehrkräfte sollen vor diesem Hintergrund darauf achten, welche Gedanken und Gefühle die Kinder bei Kontakt mit den Welt-Nachrichten haben, auf ihre Gedanken und Gefühle hören und eingehen. Das bedeutet z. B. kindgemäße Informationen zur Weltlage zu geben und darüber in kindlich vorstellbaren Bildern reden, z. B. dass Putin die Ukraine angegriffen hat und auch nicht damit aufhört, so wie manchmal auch ein Kind ein anderes angreift und nicht gleich aufhören kann, selbst wenn sich das andere Kind wehrt. Es sollte nicht zu viel und zu kompliziert geredet und erklärt werden, sondern eher den Fragen der Kinder nachgegangen werden und sie sollen die Gelegenheit haben, ihre Meinungen zu äußern. Es gibt auch kindgemäße Nachrichtenangebote, z. B. auf KiKa und auf unserer Homepage der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern finden sich weitere Hinweise. Kinder sollten auch in diesem Alter bei der Mediennutzung und den Nachrichten nicht alleine sein. Gleichzeitig ist es auch in diesem Alter weiter wichtig, die Sicherheit der eigenen Familie zu betonen und es sollte der Alltag weitergeführt werden.

Man kann auch auf das Gute und Beschützende in der Welt hinweisen, wo helfen Menschen auch den anderen und man Kinder auch helfend handeln lassen, z. B. wenn sie Spielzeug spenden wollen.
Eltern und Pädagog:innen brauchen aktuell in dieser ängstigenden Welt viel Geduld, Mut und Zuversicht, um den Kindern ein Anker zu sein. Erwachsenengespräche, Freundschaftsbeziehungen und ein achtsamer Umgang mit sich selbst sind deshalb wichtig. Ich wünsche Ihnen dafür alles Gute.

Dr. Hermann Scheuerer-Englisch

Titelbild gemalt von Vincent (6)