Es fing eigentlich schon kurz nach der Geburt unserer Tochter an. Freundinnen und Kolleginnen mit älteren Kindern fragten mich, ob ich mich denn schon um Kurse gekümmert hätte. Auf jeden Fall sollten wir zum Baby-Schwimmen, zur Baby- Massage und PEKiP – und dann vielleicht noch in eine Spielgruppe und zum Yoga. Meine innere Stimme sagte damals, Moment! Das hat doch alles noch Zeit. Ein leiser Zweifel blieb aber, ob wir unserem Kind nicht etwas vorenthalten. Mittlerweile ist unsere Tochter ein Jahr alt und geht in die Kita. Vor kurzem war eine Freundin mit ihrem Dreijährigen bei uns zu Besuch und fragte mich, ob wir eigentlich in eine Spielgruppe gehen. Da war er wieder, der leise Zweifel. Sie trifft sich einmal in der Woche mit zehn anderen Müttern und deren Kindern. Ich hatte das bislang nicht vor, denn unsere Tochter spielt ja schon am Vormittag fleißig mit anderen Kindern und ist am Nachmittag manchmal auch recht erschöpft. Trotzdem recherchierte ich ein wenig, was so angeboten wird für Einjährige und staunte nicht schlecht: Sprach- und Schwimmkurse, Basteln, Yoga, Tanzkurse und Musikgarten, Eltern-Kind-Turnen usw. Wir möchten natürlich, dass sich unsere Tochter in ihrem eigenen Tempo entwickelt und sie dabei bestmöglich unterstützen. Bisher haben wir die Dinge einfach „laufen gelassen“, nun frage ich mich aber: sollten wir nach der Kita Kurse besuchen und wenn ja, welche?
1Keine Kurse unter 3
Ihre Freunde meinen es mit Sicherheit nicht böse, aber genau solche Ratschläge und Empfehlungen stellen frisch gebackene Eltern unter Druck. Ich finde es sehr stark von Ihnen, dass Sie trotz Zweifel auf ihr Bauchgefühl hören und sich nicht sofort überreden lassen. Jedes Kind und seine Familie sind anders. Außerdem sind die Kinder Ihrer Bekannten älter als Ihre Tochter und haben somit andere Bedürfnisse. Während ältere Kinder den Kontakt zu Gleichaltrigen immer mehr suchen und sich ihr Spielverhalten zunehmend an ihnen orientiert, befinden sich jüngere Kinder mitten im Explorationsverhalten und beschäftigen sich überwiegend mit sich selbst und ihrer direkten Umwelt. Ich persönlich finde, dass Kinder unter drei Jahren keine Kurse oder Spielgruppen besuchen sollten, wenn sie bereits in eine Kita gehen. So ein Krippentag ist voller Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen und somit auch anstrengend für die Kinder. Außerdem meine ich je weniger Kursangebote die Kinder besuchen, desto besser – egal in welchem Alter.
2Auf die Signale des Kindes achten
Für ein Kind bedeutet ein Tag in der Kita neben dem Spaß und den positiven Anregungen auch, vielen Reizen ausgesetzt zu sein. Vor allem aber wird den Kleinen sehr viel Kooperationsbereitschaft abverlangt. Das alles bedeutet Stress, den Kinder unterschiedlich gut verarbeiten können. Für eine gesunde Entwicklung braucht es anschließend vor allem eins: die Nähe und Sicherheit der wichtigsten Bindungspersonen, der Eltern. Zusätzliche Förderung in Form von Kursen oder Spielgruppen ist nicht nötig und Sie verpassen nichts, wenn Sie darauf verzichten. Jedoch spricht auch nichts dagegen, den ein oder anderen Kurs zu besuchen, sofern Sie dabei auf die Signale Ihres Kindes achten. Vielleicht tut Ihnen ja auch selbst der Kontakt mit anderen Kursteilnehmern und die gemeinsame Aktivität gut? Schauen Sie nach Angeboten, die Sie nicht zu lange binden, die sich an den Bedürfnissen der Kinder orientieren und bei denen man versäumte Stunden nachholen kann, wenn es mal nicht passt. Das sind die besten Voraussetzungen für eine gute, entspannte Zeit mit Ihrem Kind.
3Zuhause gibt es genug Entwicklungsmöglichkeiten
Vertrauen Sie Ihrem stimmigen Gefühl, dass im Alter Ihres Kindes bezüglich äußerer Programmgestaltung weniger mehr ist. Ein breites Frühförderungsangebot und die diesbezügliche Hyperaktivität mancher Miteltern lässt häufig das Gefühl aufkommen, man versäume eine für die Förderung dieser oder jener Fähigkeit sensible Phase, wenn man nicht mithält und bereits sein Zweijähriges zum Kinderturnen, zum English Talk oder zur musischen Früherziehung bringt. Im Kleinkindalter findet das wichtigste Programm im gewohnten Umfeld und mit den überschaubar wenigen vertrauten Bezugspersonen statt. Für die Entwicklung der motorischen Fähigkeiten reicht die Erkundung und „Besteigung“ ganz normaler häuslicher Räumlichkeiten und Einrichtungsgegenstände, die sprachliche Förderung findet in erster Linie im alltäglichen vielfältigen verbalen und nonverbalen Austausch mit Mama, Papa, Oma oder Geschwistern statt. Und Malen, Zeichnen, Geräusche machen und Singen? Auch dazu reicht die diesbezügliche Kompetenz hinreichend guter Eltern völlig aus. Es muss nicht die Fachfrau, der Fachmann sein, es braucht keine Optimierung und Perfektionierung der im häuslichen Umfeld zur Genüge bestehenden Entwicklungsmöglichkeiten. Nicht alles, was möglich und machbar ist, ist auch notwendig und sinnvoll. Zu früh in ihrer „Freizeit“ verplante Kinder lernen viel weniger, selbst herauszufinden, was ihnen Spaß macht und ihnen liegt. Sie gewöhnen sich zudem daran, dass „Lebenszeit“ möglichst gefüllt werden muss, entwickeln unnötige Ängste vor Stillstand und Langweile, diesem für die kreative, innerpsychische Entwicklung äußerst hilfreichen Gefühlszustand.
Titelbild: gemalt von Klara (9)