Schiefe Zähne und schwer wieder loszuwerden – Schnuller haben bei Eltern oft keinen besonders guten Ruf. Zurecht? Das sagen unsere Expertinnen.
Seit knapp drei Monaten sind wir zu viert. Unser Baby Ben saugt gerne, wie schon sein Bruder Leo (3 ½ Jahre) damals, und will nicht nur zum Trinken an die Brust, sondern auch zur Beruhigung oder einfach nur mal so zum Spaß. Tatsächlich stille ich zwar gerne, möchte jedoch nicht der Beruhigungsnuckel meines Kindes sein. Deshalb möchte ich Ben einen Schnuller geben, wenn er offensichtlich keinen Hunger hat und die Brust möchte. Mein Mann und ich diskutieren nun über dieses Thema, ob es sinnvoll ist, einem Baby einen Schnuller anzugewöhnen. Außerdem sehen wir leider bei Leo, dass es wohl gar nicht so leicht ist, den Schnuller dann wieder los zu werden. Leo geht mittlerweile mit drei Schnullern schlafen, damit er sicher einen findet, wenn er nachts aufwacht. Ab und zu ist er nachmittags nach dem Kindergarten wirklich schwer von seinem Schnuller zu trennen. Mein Mann findet Schnuller unnatürlich und meint, dass es höchste Zeit ist, Leo von seinen Schnullern zu trennen, damit er keine schiefen Zähne bekommt.
1Schnuller immer bewusst geben
Es ist schön, dass Sie beide so verantwortungsbewusst mit dem Thema Schnuller umgehen. Auch in Expertenkreisen gibt es unterschiedliche Meinungen hierzu. Es gibt jedoch einige Punkte, die Ihnen vielleicht helfen können: Saugen ist ein natürliches Bedürfnis, das sowohl zur Nahrungsaufnahme, als auch zur Beruhigung, Entspannung und Kontaktaufnahme eines Säuglings notwendig ist. Beim Stillen wird dies am besten befriedigt und die Mundmuskulatur sowie die Kieferausformung werden optimal unterstützt. Nicht jedes Kind benötigt einen Schnuller, jedoch kann dieser hilfreich sein, um einem erhöhten Saugverlangen entgegenzukommen. Symmetrische, quer-oval geformte Schnuller sind zu empfehlen; keine Kirschform. Dauerhaftes Nuckeln verhindert die Entwicklung einer natürlichen Zungenruhelage im Mundraum, da dieser stetig vom Schnuller ausgefüllt wird. Eltern sollten den Schnuller in jeder Situation bewusst geben, z.B. zum Einschlafen, bei Krankheit, zum Trost. So wie Sie sich auch bewusst entscheiden, Ihren Sohn zu stillen oder anders zu beruhigen. Die Abgewöhnung sollte möglichst zwischen 1,5 und 2,5 Jahren erfolgen, spätestens mit drei Jahren.
2Schnuller wie "Medikament" einsetzen
Die Schnullerfrage ist bei uns in der Einrichtung öfter mal Thema. Ich persönlich finde den Einsatz des Schnullers grundsätzlich in Ordnung, solange man einige Dinge beachtet. Selbstverständlich sollte der Schnuller in den ersten Lebenswochen noch nicht verwendet werden, damit die Milchproduktion durch das Saugen an der Brust auf natürliche Weise in Gang kommen kann. Später muss darauf geachtet werden, dass der Schnuller nur zu bestimmten Gelegenheiten und immer nur von kurzer Dauer angeboten wird. Zeitlich eingegrenzt, zur Beruhigung und zum Einschlafen finde ich den Einsatz in völlig in Ordnung, zumal die Babys ein großes Saugbedürfnis haben und eben nicht alle Mütter rund um die Uhr zum Nuckeln zur Verfügung stehen möchten. Wichtig ist, dass die Schnuller nicht überall in der Wohnung herumliegen oder ständig zur Verfügung stehen. Sie sollten sorgfältig wie ein „Medikament“ benutzt werden und z.B. beim Sprechen und Spielen rausgenommen werden. So gelingt es später auch schneller, ihn abzugewöhnen, wenn er nicht den ganzen Tag im Einsatz war.
3Bis 1,5 Jahre unbedenklich
In der Tat ist der Schnuller „unnatürlich“, das Saugen des „Säuglings“ hingegen schon. Bereits im Mittelalter entdeckten Mütter, dass sie ihre Kinder mit gefüllten Leinenbeutelchen ruhigstellen können. Denn Kinder trinken/saugen nicht nur wenn sie Hunger oder Durst haben, sondern auch, weil es ihnen Wohlbehagen schenkt. Der Schnuller hat also seine Berechtigung – er gibt den Eltern Freiheit und beruhigt das Kind - zunächst ohne Folgen. Bis zu einem Alter von etwa 1,5 Jahren sind Sauger unbedenklich (solange sie nicht in Honig o.ä. getaucht werden), darüber hinaus kann es aber zu einer Verschiebung der Bisssituation durch diesen „Störfaktor“ kommen. Zudem löst normalerweise mit Durchbrechen der Zähne der Kau- den Saugreflex ab. Flaschennahrung ist nicht mehr notwendig, das Kind kann essen, der Saugreflex ist überflüssig geworden. Wird aber dieser Reflex künstlich erhalten, durch weiteres Trinken aus Flaschen oder eben den Schnuller, so kann sich auch der Gaumen verformen, was oftmals einen sogenannten „offenen Biss“, Mundatmung (was wiederum das Kariesrisiko erhöht) und Lispeln zur Folge hat. Man sagt, dass der Sauger mit 2-3 Jahren abgewöhnt sein sollte. Die Erfahrung zeigt, je später das Abgewöhnen beginnt, desto schwieriger wird es, weil der „natürliche“ Wechsel der Reflexe nicht stattgefunden hat. Weiter wird empfohlen, einen Schnuller möglichst klein und flach zu wählen (kein Mitwachsen der Größen, wie in der Werbung propagiert) – denn ein kleinerer Störfaktor stört eben auch weniger.
Titelbild gemalt von Klara (6)