Wenn Eltern der Geduldsfaden reißt, greifen sie gerne zur „Wenn-Dann-Keule“ – meist mit Erfolg, aber schlechtem Gewissen. Wie lassen sich Konflikte mit Kindern lösen, ohne zu drohen? Das sagen unsere Expert:innen.
„Wenn du dich nicht anziehst, gehen wir nicht mehr auf den Spielplatz.“ „Wenn ihr nicht aufhört zu streiten, gehen wir nach Hause.“ „Wenn du jetzt nicht mitkommst, gibt es beim Abendessen keinen Nachtisch.“, so oder so ähnlich ziehen sich die „Wenn–Dann-Sätze“ durch den ganzen Tag mit meinen zwei Mädchen (7 und 4,5 Jahre). Dabei versuche ich mit meinen Töchtern auf Augenhöhe zu kommunizieren und fordere sie in diesen Situationen zunächst einmal freundlich auf, etwas zu tun oder zu unterlassen und erkläre auch die Gründe dafür. Aber spätestens, wenn ich meine Bitte dreimal wiederholt habe und nicht die gewünschte Reaktion erfolgt, verliere ich oft die Geduld und hole doch wieder die „Wenn-Dann-Keule“ raus. Obwohl ich mit dieser Methode meist Erfolg habe, fühlt es sich nicht rich-tig an, sie so zu erpressen. Wie kann ich Konflikte mit meinen Kindern lösen, ohne mit „Wenn… dann…“ zu drohen?
1Eigene Grenzen rückmelden
„Wenn-dann-Sätze“ sind grundsätzlich ein völlig legitimer Baustein in der Erziehung von Kindern. Anwendung finden derartige Sätze vor allem, um Grenzen zu setzen und Konse-quenzen transparent anzukündigen. Sie verdeutlichen, dass die Eltern im Sinne der Bindungstheorie „größer, stärker und schlauer“ sind und erzieherischen Halt und Lenkung bieten können. Entscheidend ist jedoch, dass dieser notwendige erzieherische Baustein das Erziehungsverhalten von uns Eltern nicht zu sehr dominiert. Um dies zu schaffen, brauchen wir dringend auch die Verbalisierung unserer eigenen Affekte an unsere Kinder, um unsere elterlichen Bedürfnisse und unsere eigenen Grenzen den Kindern rück zu melden. Z.B. „ich habe mich gerade sehr über dein Verhalten geärgert“ oder „so wie Du gerade ausrastest, bekomme ich Angst, dass mir oder jemandem aus unserer Familie etwas passiert“ oder „ich habe nun einfach keine Geduld mehr, noch einmal das Gleiche zu sagen“. So offenbaren wir uns authentisch mit unseren Gefühlen und unserem Empfinden. Es geht hier nicht mehr zu erst um die erzieherische Handlungskonsequenz, sondern viel mehr um die Chance, die wir unseren Kindern geben ihr Verhalten anzupassen, weil sie uns Eltern zumeist eben nicht verärgern, verängstigen oder überfordern wollen.
2Stütze und Halt geben
Warum handelt es sich bei Wenn-dann-Sätzen um eine Erpressung? „Wenn ich barfuß in den Regen gehe, dann werden meine Füße nass“, „Wenn ich etwas ansäe, dann kann ich später etwas ernten“ und „Wenn es draußen kalt ist, dann muss ich eine Jacke anziehen, sonst friere ich“. Jede Aktion bewirkt eine Reaktion.
Dabei können unsere Kinder die Konsequenzen ihres Handelns oft noch gar nicht abschätzen – ihnen fehlt die Erfahrung, die wir als Eltern haben. Und somit haben unsere Kinder auch das Recht, dass wir sie in solchen Situationen unterstützen und ihnen Lösungen/ Konsequenzen aufzeigen. Das hat nichts mit Erpressung zu tun, vielmehr übernehmen wir Verantwortung.
Wichtig ist hierbei, dass die Konsequenzen logisch und für unsere Kinder klar nachvollziehbar sind: Wenn ich mich z.B. nicht warm genug anziehe, kann ich mich draußen erkälten. Hingegen einen Nachtisch zu verweigern, wenn das Kind nicht mitkommen möchte, halte ich für schwierig. Vielleicht kann man hier etwas umformulieren: „Wenn du jetzt mitkommst, kommen wir nicht zu spät nach Hause und haben noch Zeit für einen Nachtisch“.
Kinder testen ihre Grenzen – und auch unsere! – immer wieder aus. Das ist wichtig, so lernen sie sich im Leben und in unserer Gesellschaft zurechtzufinden. Die Eltern fühlen sich dabei oft schrecklich, geben ihren Kindern aber letztlich genau das, was sie brauchen: Die Stütze und den Halt in einer großen, noch unbekannten Welt. Ihre Mädchen werden es ihnen sicherlich danken, auch wenn man das nicht immer gleich zu spüren bekommt.
3Ein Lernprozess für Eltern
Zunächst möchte ich dich beruhigen. Ganz viele Eltern erlebten genau diese Situationen als Kind selbst. Es ist also ein bekanntes, vertrautes Muster, auf das wir Eltern in Situationen, in denen wir angespannt sind, zurückgreifen. Du möchtest es aber gerne anders machen und bewusst auf „Wenn …, dann …“ verzichten – das geht, nur ist es ein Lernprozess für uns! Wichtig ist zu verinnerlichen, dass hinter jeder Handlung ein Bedürfnis steckt. Dein Kind tut nichts, um dich zu ärgern, sondern es tut es für sich. In der konkreten Situation bedeutet das, zu schauen, was dein Kind gerade braucht. Ist es Nähe? Unterstützung? Es hilft Kindern sehr, wenn wir selbst präsent sind und ihnen rückmelden, was wir gerade beobachten und dann versuchen gemeinsam Lösungen zu finden. Diese dürfen durchaus Leichtigkeit und Spaß in den Alltag bringen! Egal ob es eine „Anziehstraße“ gibt oder deine Tochter eine Feuerwehrfrau ist – lass deiner Kreativität freien Lauf! Darüber hinaus würde ich dir empfehlen im Alltag zu beobachten, WANN diese Situationen eintreten. Hier ist manchmal ein Muster zu erkennen und oft hilft es die alltäglichen Abläufe und Strukturen zu beleuchten. Wiederkehrende Abläufe und Rituale geben Kindern Orientierung und Sicherheit.
Titelbild gemalt von Klara (11)
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