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Paart ihr schon oder eltert ihr noch?

Kikis Kolumne
Ulrike Hecht

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Wir investieren massig viel Zeit in die Beziehung zu unseren Kindern – die zu unserem Partner:in bleibt dabei meist auf der Strecke. Wie soll es mit der Liebe weitergehen, wenn die Kleinen aus dem Gröbsten raus sind?

Es gibt jede Menge Literatur über das Gelingen der Eltern-Kind Beziehung: wie vermittele ich meinem Kind schon pränatal, wie sehr es erwünscht ist? Was ist bei den verschiedenen Bindungsphasen im Kleinkindalter zu beachten? Was bringt die moderne Vaterrolle mit sich? Welche geschlechterspezifischen Beziehungsbedürfnisse gibt es und welches Gegenüber brauchen Jugendliche in der Pubertät? Bis ein Kind das Haus verlässt, haben die Eltern jede Menge Beziehungsbücher gelesen und diskutiert, Ratschläge beherzigt und wieder verworfen und auf jeden Fall viel Zeit investiert, um zum Gelingen der Eltern-Kind Beziehung beizutragen.

Auch zum Thema "Eltern werden - Paar bleiben" gibt es jede Menge Literatur und die Bücher werden auch gekauft. Doch damit hat es sich dann auch meistens und von den vielen Anregungen und Ratschlägen bleibt oft nur ein Satz hängen: gönnen Sie sich regelmäßig Zeit alleine mit ihrem Partner und verwöhnen Sie sich zum Beispiel mit einer sinnlichen Massage bei stimmungsvoller Musik. Hand aufs Herz – wann habt ihr das zum letzten Mal gemacht?  Geht es euch nicht vielmehr so, dass ihr manchmal morgens wach werdet und euch die vertraute Person neben euch wie ein unbekanntes Wesen vorkommt? Und dass alles, was am Anfang eurer Beziehung ausschlaggebend war, kaum mehr zu erinnern ist? Und dass ihr zwar den Terminkalender eures Partners genau im Kopf habt, aber nicht die leiseste Ahnung davon, was ihn ansonsten bewegt?

Statt Zweisamkeit möchte man da abends doch lieber einfach seine Ruhe haben

Dieser Entfremdungsprozess von Paaren mit Kindern scheint auf den ersten Blick erschreckend, doch gibt es dafür ja auch einen guten Grund. Ab dem ersten Babyschrei geht es vor allem um eins – und zwar um die pure Alltagsbewältigung. Zwingend gefühlte finanzielle Belastungen, chronischer Schlafmangel, unkalkulierbare kindliche Bedürfnisse, wachsende Wäscheberge – statt Zweisamkeit möchte man da abends doch lieber einfach seine Ruhe haben. Und für alles andere ist später wieder Zeit, wenn die Kinder erst größer sind und das jüngste aus dem Gröbsten heraus ... Denkt man. Doch weit gefehlt. Typischerweise rückt ein Paar nicht automatisch wieder zusammen, nur weil es – durch die zunehmende Eigenständigkeit der Kinder – wieder möglich wäre.

Wir waren in den Osterferien in einer Ferienanlage und – da wir nun auch an die Schulferien gebunden sind – erstmals umgeben von Familien mit halbwüchsigen Kindern. Da die Anlage idyllisch abgeschieden liegt, kam man sich automatisch näher und gar nicht umhin, die Umgangsformen und Muster der anderen Paare mitzubekommen. So fing meine kleine Feldforschung an. Das Ergebnis war erschreckend.

Bei den meisten Paaren fand Kommunikation nur statt, wenn es um organisatorische Dinge ging. Ansonsten war jede/r auf der Suche nach dem eigenen Glück – überall, nur nicht beim Partner. Die Männer schienen an ihre Jugend anknüpfen zu wollen, indem sie zusammen mit ihren pubertierenden Kindern von Klippen sprangen und hitzige Diskussionen führten, auf jeden Fall aber laut und lustig waren. Die Frauen erschienen eher griesgrämig und versuchten, durch bewusstes Essen und Yoga-Sessions ihrem Alter den Kampf anzusagen – ein verlorener Kampf, sah man sie danach neben ihren erblühenden Töchtern am Strand entlang gehen. Ist es das, was einen erwartet, wenn die Kinder aus dem Gröbsten heraus sind?

Möchten wir mit diesem Menschen unser weiteres Leben verbringen?

Heute, wo uns weder Not, noch Kirche noch Nachbarn mehr zusammenhalten, haben wir die Qual der Wahl. Und erstmals in der Geschichte können wir uns wirklich die Frage stellen, ob wir mit genau diesem Menschen an unserer Seite unser weiteres Leben verbringen möchten. Um das mit einem klaren Ja zu beantworten, braucht es mehr als nur eine romantische Vorstellung von Liebe. Spätestens nach der ersten Zeit des Verliebtseins mit seiner starken körperlichen Anziehung braucht es ein gemeinsames Projekt, das für das Paar sinnstiftend und erfüllend ist.

Bei vielen Paaren ist dieses Projekt die Familiengründung und für die ersten Jahre reicht das völlig. Doch spätestens nach der intensiven Kleinkindphase, wenn die Kinder laufen gelernt, das Haus gebaut und der Garten angelegt ist, stellt sich die Frage wieder neu. Und oft realisiert man erst dann, wie weit man sich voneinander entfernt hat. Und dass man oft nur noch wegen der Kinder oder eben aus praktischen Gründen zusammen ist. Und damit die Partnerschaft jetzt wieder attraktiv wird, reicht eine sinnliche Massage oder ein Tangokurs eben leider nicht aus.

Also noch mal Hand aufs Herz – wo soll eure Reise hingehen? Am besten überlegt sich das jeder erst einmal für sich und dann gemeinsam, mit seinem Partner.

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