Seit der Einführung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes sind Kitas verpflichtet, ein Schutzkonzept zu entwickeln und umzusetzen. Präventive und akute Maßnahmen tragen dazu bei, Gewalt zu verhindern und Kitas zu einem sicheren Ort zu machen.
Der Schutz von Kindern vor Gewalt und Vernachlässigung ist eine zentrale Aufgabe in Kindertageseinrichtungen. Mit der Novellierung des Kinder- und Jugendhilferechts und der Einführung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes im Mai 2021 hat der Gesetzgeber den Schutz in Kitas deutlich gestärkt. Seither ist ein einrichtungsspezifisches Schutzkonzept nicht nur Voraussetzung für die Betriebserlaubnis, sondern wird auch regelmäßig von der Aufsichtsbehörde überprüft. Doch was bedeutet das in der Praxis? Und wie kann Gewalt in Kitas effektiv verhindert werden?
Was ist Kindeswohlgefährdung?
Kinderschutz in der Kita – wie kann der Schutz in der Praxis gelingen?
Pädagogische Fachkräfte tragen eine besondere Verantwortung gegenüber den ihnen anvertrauten Kindern. Sie sind oft die ersten, die Anzeichen von Missbrauch oder Vernachlässigung erkennen können, und müssen in solchen Fällen handeln. Und auch die Kita selbst muss ein sicherer Ort sein. Das Schutzkonzept soll zur Sicherheit in der Praxis beitragen und muss präventive Maßnahmen sowie Interventionsstrategien enthalten.
- Zu den präventiven Maßnahmen zählt u.a. die Risikoanalyse, d.h. die Überprüfung des Kita-Alltags auf potentielle Risiken, die regelmäßige Schulung aller Mitarbeitenden sowie das 4-Augenprinzip, nach dem immer mindestens zwei Erwachsene mit den Kindern im Raum sein sollten.
- Zu den Interventionsmaßnahmen zählt u.a. ein Beschwerdesystem für Kinder, Eltern und Mitarbeitende, das die Möglichkeit gibt, sich bei Problemen oder Auffälligkeiten schnell und vertraulich an eine zuständige Person wenden zu können sowie ein Notfallplan mit festgelegten Interventionsschritten, der im Verdachtsfall eine sofortige Reaktion ermöglicht.
Iris Frehse-Oisch, Multiplikatorin für Konzeptions- und Schutzkonzeptentwicklung IFP und Inhaberin der bunten Bildungsakademie schult regelmäßig Kita-Teams zum Thema Kinderschutz: “Kinderschutzkonzepte können am besten gelebt werden, wenn alle Beteiligten ihre Verantwortung kennen und wahrnehmen. Träger sollten die Leitungen mit zeitlichen und finanziellen Ressourcen ausstatten, um sich selbst und die Mitglieder des jeweiligen Teams ausreichend fortzubilden”.
Herausforderungen durch Fachkräftemangel
Vor besondere Herausforderung wird der Kinderschutz durch den wachsenden Fachkräftemangel gestellt, viele Kita-Mitarbeitenden fühlen sich aufgrund des Personmangels überfordert. 2022 lag die Zahl der in Bayern gemeldeten Verdachtsfälle auf Kindeswohlgefährdung bei 129, darunter auch eine erhöhte Anzahl von Verletzungen der Aufsichtspflicht. Trotz dieser Engpässe betont Dr. Eleonore Hartl-Grötsch, Amtsleiterin des Amts für Tagesbetreuung in Regensburg, dass der Kinderschutz in den Kitas der Stadt Regensburg oberste Priorität hat: “Sollten zu viele Stellen an einer Kita unbesetzt sein, wird das Angebot zurück gefahren oder es werden weniger Kinder aufgenommen, aber nicht der Kinderschutz reduziert. Innerhalb der Öffnungszeiten und innerhalb der pädagogischen Angebote sind die Kinder geschützt und sicher. Bei Engpässen kann es zu Angebotsreduzierungen kommen, nicht zu einer Reduzierung des Kinderschutzes”.
Resilienz und mediale Bildung als wichtige Faktoren des Kinderschutzes
Neben der institutionellen Verantwortung spielt auch die Stärkung der Kinder eine wichtige Rolle im Kinderschutz, so Dr. Hartl-Grötsch weiter: “Resilienz ist bei diesem Thema ist ein wichtiges Schlüsselwort. Kinder sensibilisieren und fit machen für die Gefahren im Leben und im Alltag und die Kinder ernst nehmen und ihnen zuhören, das können Eltern und das können unsere Mitarbeiterinnen in den Kitas. Wenn es uns gemeinsam gelingt, Kinder für das Leben fit zu machen, dann ist das ein großer Beitrag auch für den Kinderschutz”.
Iris Frehse-Oisch betont darüber hinaus, wie wichtig es ist, auch die Thematik des Umgangs mit den digitalen Medien in die Schutzkonzepte aufzunehmen: “Viel Kindeswohlgefährdung oder -beeinträchtigung passiert – oft hinter unserem Rücken – im Umgang mit digitalen Medien. Damit möchte ich auf keinen Fall sagen, dass digitale Medien schlecht für Kinder sind und sie ganz aus der Pädagogik raus sollten. Im Gegenteil, mit dieser Haltung sind wir leider nicht weit gekommen und lassen die Kinder leider auch komplett alleine. Die Kinder leben in einer digitalen Welt, von Geburt an. Wir Erwachsenen, Eltern, wie auch Pädagog:innen tragen die Verantwortung ihnen dort einen sicheren und geschützten Weg zu bereiten”.
Kinderschutz bei den Regensburger Eltern e.V.
Auch in den Einrichtungen der Regensburger Eltern e.V. wird der Kinderschutz groß geschrieben. Neben Schulungs- und Fachberatungsangeboten soll in diesem Jahr in Kooperation mit dem Kinderschutzbund Regensburg, das Projekt “Starke Kinder-Kiste!” in den Einrichtungen eingeführt werden. Das Projekt zielt darauf ab, Kinder zu stärken und sie für das Thema Kinderschutz zu sensibilisieren. Die „Starke Kiste“ ist dabei ein wichtiges Werkzeug, das auf kindgerechte Weise vermittelt, wie sie ihre eigenen Grenzen erkennen und verteidigen können. Alle Mitarbeitende erhalten auf dem Teamtag eine Schulung, die sie befähigen soll, den Kindern in täglichen Interaktionen und speziellen Projekttagen aufzuzeigen, wie sie sich in unangenehmen oder gefährlichen Situationen verhalten sollen. So lernen die Kinder, selbstbewusst „Nein“ zu sagen und sich Hilfe zu holen, wenn sie sich unwohl fühlen. Eltern sollen ebenfalls aktiv in das Projekt eingebunden werden.
Im besten Fall können so in Zusammenarbeit von Fach-Expert:innen, Kita-Mitarbeitenden und Eltern, die Kinder in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt und die Kita als zuverlässiger sicherer Raum für sie gefestigt werden.