Institutionen und Organisationen

Stadtbücherei Regensburg: Alles andere als verstaubt!

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von Jessica Suttner und Verena Gold

Ein Umbau der Bibliothek ist schon lange notwendig und auch schon viele Jahre in Planung. Beim Workshop „Ideenwerkstatt: Umgestaltung der Zentralbücherei am Haidplatz“ wurde laut darüber nachgedacht, wie die Regensburger Institution in Zukunft aussehen könnte.

In der Bücherei gibt es Bücher, klar. Man kann sie sich hier ausleihen und muss sie nach einem vorgegebenen Zeitraum wieder zurückgeben, auch klar. Aber was gibt es hier sonst noch auszuleihen, gleich zu lesen, anzuhören und zu spielen? Wo kann ich länger sitzen und ruhig arbeiten? Wie laut darf ich sein? Komme ich barrierefrei zu allen Bereichen? Wie komme ich an Medien, wenn die Öffnungszeiten nicht zu meinen freien Zeiten passen? Welche Medien sind auch digital verfügbar? Ist die Bücherei ein Ort für alle?

Diese Fragen tun sich für die verschiedenen Benutzer:innen der Bibliotheken auf. Das wird ziemlich schnell klar beim Workshop zur Umgestaltung der Stadtbücherei am Haidplatz, der im Februar stattgefunden hat. Eingeladen waren alle, die ihre Erfahrungen und ihre Gedanken zur „Bücherei der Zukunft“ einbringen möchten - und sich dafür Zeit nehmen konnten.

Eine halbe Million Euro auf die Hand – und nun?

Teilgenommen haben dann auch ganz unterschiedliche Menschen: Manche haben Senior:innen im Fokus, andere Kinder, manche arbeiten mit Jugendlichen, als Vernetzer:innen im Kreativsektor, sind selbst Autor:innen oder Mitarbeiter:innen der Bücherei. Was würde diese bunte Gruppe machen, wenn sie eine halbe Million Euro in die Hand gedrückt bekommen würde und völlig ohne Einschränkungen denken und gestalten dürfte?

Der Workshop wird vom ekz.bibliotheksservice gestaltet und durchgeführt, einem führenden Komplettanbieter für Bibliotheken. Leiter Johannes Neuer und die beiden Innenarchitektinnen Sahar Ribeiro und Laura Cuellar sind sympathisch, nahbar und höchst professionell: Der Tag ist straff organisiert und mit unterschiedlichen Elementen gespickt, kurze Vorträge und aktive Diskussionen in Gruppen unterschiedlicher Größe lösen einander ab.

Die To-Do-Liste der Zentralbücherei

Zuerst stellt die Leiterin der Stadtbücherei, Isabelle Kleinknecht, den dringenden Bedarf an Neuerungen für die Stadtbücherei am Haidplatz vor. Ein Umbau ist schon lange notwendig und auch schon viele Jahre in Planung. Die Möbel und Regale in der Zentralbücherei sind inzwischen circa 40 Jahre alt. Weil hier und dort angebaut werden musste, ist ein „Flickenteppich” entstanden und das Gesamtbild nicht mehr stimmig. Klar ist auch, dass die Kinderbücherei viel zu klein ist. Außerdem fehlen Bereiche für Veranstaltungen während der Öffnungszeiten. Aktuell gibt es auch bei Weitem zu wenige Sitz- und Arbeitsplätze. Problematisch ist auch das Thema Inklusion: Wer die Zentralbücherei zum Beispiel mit dem Rollstuhl besucht, kommt weder selbst an die Bücher, die weiter oben im Regal stehen, noch kann er überhaupt selbstständig vom ersten in den zweiten Stock gelangen. Insgesamt soll es beim Umbau darum gehen, die Aufenthaltsqualität für die Menschen zu erhöhen.

Die Anforderungen sind also vielfältig und auch der Prozess des Umbaus ist durchaus komplex: Zahlreiche Ämter müssen beweisen, dass sie dieses Großprojekt mit Engagement voranbringen wollen und dafür professionell und innovativ zusammenarbeiten können. Hochbau, IT, Denkmalschutz sind betroffen, um nur einige Bereiche zu nennen. Das Kulturamt als hausverwaltende Stelle ist zudem eng in den Prozess involviert.

Was alles entstehen kann: Bibliotheken der Zukunft

Johannes Neuer stellt in seinem inspirierenden Vortrag innovativen Beispiele öffentlicher Bücherei-Neubauten oder -Umbauten vor. Hierbei fallen vor allem Lichtpunkte und Helligkeit sowie die vielfältigen Raumgestaltungen auf. Room-in-Room-Lösungen, bei denen Leseecken und kleine Bereiche in großen Räumen entstehen, sowie ausgefüllte Nischen zwischen Fenstern und unter Treppen sorgen für Rückzugsorte zum Lesen, Lernen und Arbeiten für alle Altersgruppen. Verschiebbare Möbel ermöglichen die flexible Nutzung für Veranstaltungen aller Art. Wegweiser und niedrige Regale sowie Bibliothek-Apps sorgen für Übersichtlichkeit und Orientierung, auch für Menschen mit Handicap.

OODI HELSINKI CENTRAL LIBRARY (Foto: JUSSI HELLSTEN, CITY OF HELSINKi)

Ein Nachmittag mit Ideen, für die es sich zu kämpfen lohnt

Folgt man Studienergebnisse zur Bibliotheksnutzung, halten zwar 75 Prozent der Bürger in Deutschland Bibliotheken für sehr wichtig, jedoch besitzen laut einer Studie von 2015 nur 16 Prozent einen eigenen Büchereiausweis; 47 Prozent waren noch nie in einer Bücherei. Muss eine Bücherei also nicht nur dafür Sorge tragen, dass sich diejenige, die sich auch heute schon Bücher und andere Medien ausleihen, dort so wohlfühlen, dass sie sich länger aufhalten und sich inspirieren lassen; sondern vor allem dafür, dass diejenigen, die aktuell nicht zu den Nutzern zählen, eingeladen werden, das Haus überhaupt zu betreten? Natürlich ist dabei an Kinder zu denken, die aus Haushalten kommen, in denen Bücher nicht zum alltäglichen Leben gehören. Es geht aber u. a. auch darum, die Bücherei für Jugendliche so attraktiv zu gestalten, dass sie gerne herkommen. Außerdem sollten sich Familien mit Migrationshintergrund ebenso willkommen fühlen wie Menschen mit Demenz, mit Seh- und Hörstörungen, mit Rollstuhl….

Angeregt durch den Input entstehen bei den Teilnehmer:innen ganz unterschiedliche Assoziationen, wie auch aus der Bücherei am Haidplatz eine solche Bücherei für Menschen werden kann und was es dazu braucht. Es werden verschiedene Personen und ihre Bedürfnisse erschlossen: Was braucht die Rentnerin, was braucht der Jugendliche, um sich hier wohlzufühlen? Es werden Begriffe wie Lesehalle, Filmraum, Ruheort, Oase und Höhle ebenso zugeordnet wie Café, Bühne, Spielplatz, Maker Space, Werkstatt, Labor, Marktplatz und Tauschbörse. Im Austausch werden verschiedene Bedürfnisse geäußert und Zonen innerhalb der Bücherei vergeben: Soll es hier ruhig, lebendig, inspirierend, anregend, entspannend, beruhigend oder aktivierend sein? Welche Optik spricht uns eigentlich an?

Ganz konkret wird es in dem Moment, in dem die Teilnehmer:innen auf einem großen Grundriss diese Gedanken für die Räumlichkeiten der Stadtbücherei aufs Papier bringen dürfen. Eifrig werden die verschiedenen Medien- und Themenbereiche hin und her geschoben, Eingänge verlegt, neue Elemente wie Café und Working Spaces eingefügt und verteilt, über die Lokalisation von Veranstaltungsmöglichkeiten und Infopoints diskutiert bis ganz unterschiedliche Vorschläge auf den Tischen liegen. Das Projekt „Umbau” erzeugt definitiv vielfältige Chancen und Möglichkeiten!

STADTTEILBÜCHEREI HUBLAND, WÜRZBURG

Feuer und Flamme bleiben – denn da geht was!

Wir finden es großartig, dass sich Menschen so engagiert einbringen und die Zukunft der Bücherei mitgestalten wollen. Uns gefällt, was die Bücherei gerade schon in der Zentralbüchereien und den Stadtteilbüchereien im Kleinen ausprobiert: Robotikbereich, Bibliothek der Dinge, Gaming-Ecke, Makerspace, Samentauschbörse... Nun wünschen wir uns, dass es so weitergeht, dass die Ideen, die sich in der „Ideenwerkstatt” frei und mit viel Freude entwickelt haben, Einfluss nehmen auf das, was nun am Haidplatz geschehen wird. Wir wünschen uns, dass die Bereitschaft da ist, nicht nur den Standardweg zu gehen, sondern auch die Extrameilen, die aus einem soliden Projekt ein großartiges Projekt machen. Wir wünschen uns, dass das Angebot, sich zu beteiligen noch niederschwelliger und breiter gefächert an die Bürger der Stadt herangetragen wird und auch diejenigen abholt, die bisher aus diversen Gründen nicht zu den Kund:innen der Bücherei zählen, dass auch Kinder und Jugendliche selbst ihre Wünsche äußern können und dass die Bücherei sich raus wagt aus dem alten Palais raus auf den Haidplatz, um die Menschen reinzulassen ins Wohnzimmer der Stadt.

STADTBIBLIOTHEK AM MAILÄNDER PLATZ/ YI ARCHITECTS, STUTTGART (Foto: JOACHIM UPHOFF)