Seit unsere Tochter im Kindergarten ist und die ersten Freundinnen gefunden hat, sind plötzlich alle Artikel mit einer bekannten Eiskönigin heiß begehrt. Dabei kennt sie die Filme noch nicht einmal. Es gibt wirklich alles mit den beliebten Figuren: Von Spielzeug über Kleidung und Haarschmuck bis hin zu Zahnbürsten und Pflastern. Im Kindergarten gibt es einen regelrechten Wettbewerb, manchmal sogar Streit, wer die tollsten neuen Lizenzprodukte hat. Zu Weihnachten wünscht sich unsere Tochter nun unbedingt ein Kostüm besagter Eiskönigin aus Tüll und mit ganz viel Glitzer. Eigentlich möchte ich das Kleid nicht kaufen, denn es ist für die angebotene Qualität viel zu teuer und außerdem unpraktisch zum Spielen und Toben. Und vor allem möchte ich diese Profitmacherei nicht unterstützen, die ein einseitiges Rollenbild vermittelt, dass Jungs abenteuerlustig und kämpferisch und Mädchen immer brav und hübsch sein müssen. Andererseits würde ich meiner Tochter gerne die Freude machen und möchte auch, dass sie bei ihren Freundinnen beliebt ist. Sollte ich das Kostüm also einfach besorgen? Oder ist es wichtig, es nicht zu kaufen, um unsere Tochter gegen den Marken- und Gruppendruck widerstandsfähig zu machen?
1Auf Bedürfnisse eingehen
Zunächst finde ich wichtig, das hinter dem Wunsch stehende Bedürfnis des Kindes näher zu betrachten. Dies kann die Sehnsucht sein, etwas „Besonderes“ zu sein oder zu besitzen, vielleicht auch der Wunsch von anderen bewundert zu werden oder im Kindergarten dazuzugehören? Vielleicht können Sie ja, unabhängig vom Kauf des Kleides, im Alltag verstärkt versuchen, auf dieses Bedürfnis Ihres Kindes einzugehen. Natürlich ist es auch möglich, gemeinsam den Film oder ein Bild der betreffenden Figur anzusehen und Ihre Tochter bestimmen zu lassen, was genau denn das Kleid der Eiskönigin so besonders macht. Mit Accessoires (z.B. Tüll, Glitzer, bestimmte Farbe etc.) könnten Sie dann gemeinsam ein günstiger erworbenes oder selbst genähtes Kleid „aufpeppen“ und es so zu etwas „Besonderem“ werden lassen. An Weihnachten ist jedoch bei dieser Variante damit zu rechnen, dass Ihre Tochter enttäuscht sein wird. Sollten Sie – nach Abwägen aller Bedürfnisse – das besagte Kleid kaufen, erscheint es mir wichtig, hinter der Entscheidung zu stehen und sich mit Ihrer Tochter über das Geschenk zu freuen, sie darin auch gebührend zu bewundern. Eine Abwertung des Kleides würde unnötigerweise die Freude des Kindes schmälern und womöglich dazu führen, dass Ihre Tochter (und auch Sie selbst) sich nicht mehr damit wohlfühlt.
2Spielzeug-Wahl ist Elternsache
Wie auch die Auswahl des Essens oder der Kleidung ist auch die Wahl des richtigen Spielzeugs Elternsache – nicht Kindersache, auch nicht Oma- oder Opa-, nicht Tante- oder Onkelsache und erst recht nicht Sache der Walt-Disney-Company. Einerseits möchte man seinen Kindern ihre Wünsche gerne erfüllen, andererseits aber hat man das Wohl des Kindes, seine physische und auch psychische Gesundheit im Blick, und man hat irgendwo seine Grenzen, seinen Stil und seinen Geschmack. Auch wenn es anscheinend aus der Mode kommt, es geht nicht immer ohne ein NEIN. Das gilt doch auch bei der Menge der Schokoladencreme, beim Fernsehkonsum und vielen weiteren Gelegenheiten. Zum Glück kennt die dreijährige Tochter die Filme mit der „bekannten Eiskönigin“ noch nicht – damit haben Sie schon viel richtig gemacht, und sicher gibt es die eine oder andere Gelegenheit, um mal eine Ausnahme zu machen, da, wo es einem leichter fällt.
3Gespräch könnte hilfreich sein
Den Wunsch nach diversen Lizenzprodukten, die obendrein noch klischeehafte Geschlechterbilder verkörpern, können Eltern oft nicht nachvollziehen. Dennoch sollten die Bedürfnisse der Kinder unbedingt ernst genommen werden. Es gehört zur Entwicklung dazu, dass Kinder etwas haben wollen, von dem auch andere Gleichaltrige fasziniert sind, selbst wenn sie den Film, der hinter dem Produkt steht tatsächlich gar nicht kennen. Innerhalb der Peergruppe bietet der/die Comicheld/in nicht selten Vorlagen für gemeinsame Spielanlässe. Dennoch dürfen Kinder lernen, dass Wünsche nicht immer erfüllt werden müssen. Hilfreich können hier Gespräche darüber sein, wie bedeutsam genau dieses Produkt tatsächlich ist. Gibt es eventuell ein anderes (Prinzessinnen-)Kleid, das ihrer Tochter auch gefallen würde und eher Ihren Erwartungen entspricht? Vielleicht ist der Wunsch bis Weihnachten sowieso ein ganz anderer. Ansonsten würde ich ihrer Tochter erklären, dass durch die Erfüllung dieses Wunsches andere eventuell nicht erfüllt werden können. Dann kann sie selbst abwägen, welche Bedeutung genau dieses Kleid nun hat.
Titelbild: gemalt von Klara (9)