Was tun, wenn das Kind nachts keine Windeln mehr tragen will, aber vom trocken bleiben noch weit entfernt ist? Das raten unsere Expert:innen.
Tagsüber ist unsere Tochter (4) schon länger trocken und in unserer Erinnerung verlief das damals auch recht unkompliziert. Sie beschloss mehr oder weniger, keine Windel mehr zu brauchen und hatte schnell raus, wann sie sich auf den Weg machen muss, damit nichts daneben geht. In der Nacht verhält es sich etwas anders. Die Windel möchte sie nachts auch nicht mehr tragen, also lassen wir sie seit ein paar Wochen weg aber vom trocken bleiben sind wir weit entfernt. Ein paar Ratschläge befolgen wir schon, wie z.B. ab 18 Uhr nicht mehr viel trinken, vor dem zu Bett gehen nochmal auf's Klo gehen – die trockenen Nächte sind dennoch rar gesät. Aus dem Tiefschlaf wacht unsere Tochter praktisch nicht auf, wenn sie eigentlich müsste (und sie wacht meistens auch dann nicht auf, wenn sie schon im nas-sen Bett liegt). Das frustriert sie mit wechselnder Intensität, wir erklären ihr aber immer, dass das nicht schlimm ist und es sicher irgendwann klappen wird. Was können wir tun um sie zu unterstützen?
1Entwicklungsprozess, kein Erziehungsvorgang
Die kurze Antwort ist: „Nehmen Sie den Erwartungsdruck von Ihrer Tochter.“ Beim sauber werden handelt es sich um einen natürlich ablaufenden Entwicklungsprozess und nicht um einen Erziehungsvorgang. Genauso wenig wie Sie mit Ihrer Tochter das Atmen lernen mussten oder wie Sie auch nicht erst Laute, dann Wörter, dann unregelmäßige Verben mit Ihr geübt haben. Sie haben einfach mit und bei ihr gesprochen und damit die natürliche Entwicklung unterstützt. Mit vier Jahren sind mehr als 30 Prozent der Kinder nachts noch nicht trocken. Mit sechs Jahren sind es noch 10-15 Prozent der Kinder. Zum „trocken werden“ muss - unter anderem - hormonell gesteuert nachts der Urin konzentriert werden, aber auch der Schlaf sich noch entsprechend entwickeln. Der beschriebene ausgeprägte Tiefschlaf ist hier klassisch. Es fehlen noch die Weckautomatismen. Wer im patsch-nassen Bett nicht aufwacht, kann auch von einer vollen Blase nicht aufwachen. Was Sie machen sind im Moment die einzigen Dinge, die man tun kann. Die gute Nachricht ist, dass wenn das Kind von sich aus (!) Interesse am trocken werden entwickelt, meist gerade die entsprechenden Prozesse in der Entwicklung anlaufen. Also, lassen Sie sich und Ihrer Tochter Zeit, und nehmen Sie den Druck raus. Sie wird sich weiterhin toll entwickeln!
2Keine zu enge Kleidung
Sie sind auf dem richtigen Weg, indem Sie Ihre Tochter dazu anregen, vor dem zu Bett gehen noch einmal auf die Toilette zu gehen und über den Tag verteilt regelmäßig zu trinken statt abends viel. Auch, dass Sie keine große Geschichte daraus machen und Ihre Tochter nicht unter Druck setzen, machen Sie richtig. Darüber hinaus können Sie ihre Tochter unterstützen, wenn sie ihr keine zu enge Kleidung zum Schlafen anziehen, die Druck auf die Blase ausübt. Wie der gesamte Entwicklungsprozess eines Kindes, ist auch die Blasenkontrolle ein individueller Reifungsprozess – und dieser dauert nachts etwas länger als tagsüber. Für ein trockenes Bett muss das Gehirn unter anderem lernen, die Nervensignale der Blase zu erkennen und diese zu verarbeiten (Blase voll > Aufwachen). Mit etwas Geduld ist auch dieser Meilenstein überwunden.
3Positive Rückmeldung geben
Sie unterstützen ihr Kind schon sehr gut, indem sie Druck aus der Situation nehmen. Das Kind kann ja wirklich nichts dafür, dass es nachts nicht wach wird. Da es tagsüber klappt, ist es normalerweise nur eine Frage der Zeit. Der Befehl „halten“ kommt vom Gehirn im Tiefschlaf (noch) nicht beim Schließmuskel der Blase an. Manche Kinder sind bis zu ihrem sechsten Lebensjahr nachts noch nicht trocken, da eine bestimmte Reifung der Hormone, die für eine verminderte Nierentätigkeit und damit für eine reduzierte Urinbildung in der Nacht noch nicht ausreichend vorhanden ist. Mit zunehmender Reifung des Gehirns klappt es dann. Die begleitenden Erwachsenen solltem dem Kind liebevoll signalisieren, dass alles in Ordnung ist und sich diese Situation ganz von alleine geben wird. Wichtig ist, dass das Kind eine positive Rückmeldung erhält, damit sich nicht eine chronische Störung im Selbstwert entwickelt. Wenn man dem Kind erklärt, dass es Blase und Gehirn erst „lernen“ müssen, trocken zu bleiben, ist es vielleicht auch nicht so frustrierend. Ist es zu viel Wäsche oder wenn es nervt im Nassen zu liegen, könnte man auch besprechen, während der „Wartezeit“ nachts wieder eine Windel anzuziehen. Wenn diese dreimal hintereinander trocken ist, lässt man sie wieder weg. Sollte sich die Situation über das sechste Lebensjahr weit hinaus ziehen und körperliche Einflüsse abgeklärt sein, macht es Sinn vertiefter nachzuforschen und gegebenenfalls ein:e Urolog:in aufzusuchen.
Titelbild gemalt von Klara (11)
Du hast eine Frage an unsere Expert:innen? Dann schreibe uns eine Mail an zeitung@regensburger-eltern.de