Drei junge Familien leben ein ungewöhnliches, aber zeitgemäßes Modell: zusammen unter einem Dach. Verena Gold erzählt aus ihrem bunten WG-Alltag.
Beschreibt doch bitte Eure aktuelle Lebens- bzw. Wohnsituation ...
VERENA GOLD: Wir sind drei Paare mit je einem Kind und wohnen gemeinsam in einem schönen Haus direkt an der Donau. Unsere Kinder sind zwischen zwei und zweieinhalb Jahren alt. Jede Familie hat zwei eigene Zimmer, die restlichen Zimmer – zwei Wohnzimmer, eine große Wohnküche, den Keller und natürlich die Bäder – teilen wir uns.
Wie kam es zur „Familien-WG“?
Eigentlich begann alles mit einer großen Wohnung an einem ganz anderen Ort, die als klassische Studenten-WG bewohnt wurde. Nach diversen Um-, Ein- und Auszügen waren wir am Schluss eine Freundes-WG mit sieben inzwischen berufstätigen Personen. Innerhalb von fünf Monaten wurde ein Paar nach dem anderen schwanger, jedes Mal wieder entschieden wir, es auch mit einer kleinen Person mehr weiter gemeinsam zu probieren. Wir wussten sicherlich nicht, worauf wir uns da einlassen (vor allem was das Eltern-werden anbelangt), aber wir mochten unser WG- Leben: Die größere Umwälzung war dann sicherlich auch, das jeweils neue Kind und nicht das „neue“ alte Leben in der WG. Nachdem wir immer mehr wurden und der Platz immer weniger – der Vermieter beanspruchte fast gleichzeitig mit den Geburten der Kinder die Kellerräume und den Garten für sich und erhöhte die Miete –, suchten und fanden wir gemeinsam ein neues Zuhause.
Teilt Ihr Euch Kinder-Betreuungszeiten oder -aufgaben und sind neben den Eltern auch die anderen Erwachsenen Bezugspersonen für die Kinder?
Im großen Stil nutzen wir das Zusammenleben zum Aufgaben-Abgeben bisher weniger als gedacht. Das liegt wohl daran, dass wir alle arbeiten und unsere Kinder außerhalb der Kita-Zeiten dann jeweils gerne selbst um uns haben. Natürlich treffen wir dann aber oft wieder im gemeinsamen Wohnzimmer aufeinander, wo dann zum Beispiel der eine bei den Kindern bleibt und der andere in Ruhe Kaffee für die ganze Truppe kochen kann. Im Kleinen erleichtert es also unseren Alltag doch sehr: Man kann auch mal abends als Paar weggehen oder kurz eine Viertelstunde in Ruhe duschen, kochen oder Wäsche aufhängen, weil immer schnell jemand einspringen kann. Definitiv sind nämlich auch die anderen Erwachsenen Bezugspersonen für die Kinder: Die Kleinen kennen die Großen ja schon seit ihrer Geburt.
Ist Euer Leben in der WG vergleichbar mit dem einer Großfamilie?
Vergleichbar ist es wahrscheinlich schon: Unsere Kinder wachsen nicht mit zwei Personen, sondern mit acht andern Personen auf: Es gibt unterschiedliche Charaktere, verschiedene Stimmungen, Konflikte, Witze, Beziehungen und Spiele, die jeden Tag erfahren werden. Aber unsere Familien sind auch klar definiert: Die Eltern müssen nicht geteilt werden wie bei Geschwistern, jede Familie hat ihren eigenen Tagesablauf, ihre eigenen Gewohnheiten und ihre eigene Familienstruktur. Und: Wir sind drei gleichwertige Familien nebeneinander und nicht hierarchisch gestaffelt wie in den meisten traditionellen Großfamilien: Auch wir lernen sicherlich viel voneinander, aber keiner hat einen Wissensvorsprung (oder höchstens einen von fünf Monaten!). Deshalb ist es in unserem Lebensmodell vielleicht auch leichter, andere Vorgehensweisen und Entscheidungen zu respektieren.
"Im Grunde sind sie von morgens bis abends in einem Trainingscamp für soziale Angelegenheiten."
Seht Ihr in Eurer Wohnform Vorteile oder auch Nachteile?
Für unsere Kinder sehen wir vor allem Vorteile: Sie haben meist zwei andere kleine Personen um sich, die sich für die gleichen Dinge interessieren wie sie, sie lernen zu kommunizieren, zu teilen und miteinander umzugehen. Im Grunde sind sie von morgens bis abends in einem Trainingscamp für soziale Angelegenheiten – das ist für ‚Erstgeborene‘ sicherlich heute nicht mehr üblich. Und für uns ist es einfach nur ein großer Spaß, diese verschworene Bande zusammen zu beobachten! Aber natürlich kann unsere Lebensform auch für unsere Kinder etwas mehr Anstrengung bedeuten. Deshalb müssen wir wahrscheinlich mehr als andere Familien darauf achten, ihnen auch Ruhepausen zu bieten.
Die Vorteile für die Erwachsenen sind schon auch die geringeren Kosten für Miete. Wir haben als Familien weniger Fixkosten, was uns die Möglichkeit gibt, gegebenenfalls Arbeit zurückschrauben zu können und mehr Zeit mit unseren Kindern zu verbringen oder zum Beispiel auch dem Partner, der weniger verdient, mehr Arbeits- und Fortbildungszeit einräumen zu können. Auch von der Arbeitsteilung in der WG profitieren wir: Nicht immer einkaufen, nicht immer kochen, nicht immer ein Haus putzen! Den größten Vorteil sehen wir aber darin, dass wir uns in dieser spannenden Zeit als junge Eltern gegenseitig beratschlagen und unterstützen können. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es natürlich auch Momente gibt, in denen man einfach einmal seine Ruhe will oder es mal kracht ...
Wird aufgeteilt, wer welche Aufgaben hat – Stichwort Putzplan – und (wie gut) klappt das?
Wie in den meisten WGs gibt es auch in unserer WG einen Putzplan. Wie in den meisten WGs funktioniert das mal besser, mal schlechter. Angenehmer ist es aber sicherlich für uns alle, nicht alleine das ganze Haus putzen zu müssen.
Vermisst Ihr die Intimität der klassischen Kleinfamilie in den „eigenen“ vier Wänden?
Gelegentlich vermissen wir Ruhe sicherlich – aber viel seltener, als man das vielleicht denken könnte. Wir würden alle sagen, dass wir genug Raum für Intimität haben und Rückzugsraum für die Kleinfamilien gegeben ist. Unterm Strich würden wir diese Lebensform in dieser Konstellation genauso immer wieder wählen.
Wie lebt ihr, wo seht ihr Euch in zehn oder 20 Jahren?
Wohnwagen? Weltherrschaft? Im Aufbau einer WG für Rentner? Unser Häuschen wird uns auf lange Sicht sicherlich zu klein werden. Wie und wo es beruflich weitergeht, ist vielfach auch noch nicht geklärt. Gemeinsames Leben mit etwas mehr Raum oder doch die Kleinfamilie? Da lassen wir uns einfach vom Leben überraschen!
Anmerkung der Redaktion: Das Beantworten der Interviewfragen hat der Familien-WG eine seltener gewordene Gelegenheit verschafft: "Dass wir uns einmal wieder alle mit einem Glas Wein zusammensetzen, wenn die Kinder im Bett sind." Verena Gold aus der WG hat es für die Elternzeitung übernommen, ihre Mitbewohner zu versammeln und die Beiträge aller in den Antworten zu formulieren. Dafür herzlichen Dank!