MEIN KLEINER BRUDER IST BEHINDERT
Leben

Mein kleiner Bruder ist behindert

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Johanna Speth, 10 Jahre

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Die 10-jährige Johanna hat einen ganz besonderen Bruder – und eine ganz besondere Weihnachtsbotschaft an uns alle.

Und damit meine ich nicht, wie viele von euch sich jetzt bestimmt gedacht haben, dass mein kleiner Bruder nervig, blöd, bescheuert oder dumm ist. Nein, er ist wirklich behindert. Die Ärzte bezeichnen seine Behinderung als „partielle Trisomie 10p 12.1“, aber was das bedeutet, wissen sie selbst nicht, denn diese Behinderung gibt es nur einmal auf der Welt.
Meine Familie und ich versuchen jetzt seit fast sieben Jahren herauszufinden was das bedeutet. So alt ist mein Bruder nämlich. Solltet ihr ihn mal treffen, werdet ihr aber denken, dass er höchstens zwei Jahre alt ist. Denn er kann nicht alleine aufs Klo gehen, braucht noch Windeln, er kann nicht alleine essen, sich nicht selber an- und ausziehen und auch nicht richtig sprechen. Dafür kann er aber sehr schöne Melodien singen, die süßesten Bussis auf die Backe geben und, egal wie traurig man gerade ist, kann er einen mit seinem hellen, lauten Lachen zum Grinsen bringen. „Hallo“ sagen kann er auch ganz toll (gerne auch mal zu wildfremden Leuten auf der Straße).

"Denkt beim nächsten Streit daran, ,behindert' nicht als Schimpfwort zu verwenden."

Was du unbedingt wissen solltest, falls du ihn mal triffst: Er mag keine offenen Autotüren, keine roten Ampeln, keine lauten Geräusche, keine geschlossenen Garagen und er hasst es zu warten (was natürlich blöd ist, wenn man auf einer Autofahrt lange im Stau steckt!). Er mag es sehr gerne, erschreckt zu werden mit „BUH!“, hört unglaublich gerne immer dasselbe Lied (ich hasse „In der Weihnachtsbäckerei“, vor allem im Sommer). Mein kleiner Bruder isst gerne alles und damit meine ich nicht nur Gemüseauflauf, Brokkoli und gedünsteten Fisch, sondern auch Nägel, Schnüre, Sand, Luftballons, Muscheln, Barbieschuhe, Legosteine, Loop- Bänder, ...

Wie ihr jetzt lesen konntet, ist es mit ihm oft sehr lustig und er ist einfach nur behindert und keinesfalls nervig, blöd, bescheuert oder dumm. Ansteckend ist er übrigens auch nicht. Also denkt beim nächsten Streit daran, „behindert“ nicht als Schimpfwort zu verwenden. Ich bin mir sicher euch fallen viele andere Schimpfwörter ein.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Beitrag erschien im Sommer 2019 in „Retorte“, der Schülerzeitung des Regensburger Goethe-Gymnasiums. Die Autorin Johanna Speth ist ein ehemaliges Stadtpark- Kindergartenkind und jetzt Schülerin im Goethe Gymnasium und aktiv in der Schülerzeitungsredaktion.

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